Der Geruch von Trockeneis in der Nase, der eigene Pulsschlag kontrolliert durch den Bass, der durch Mark und Bein geht, und langsam aber sicher schmerzen die Füsse. Als die letzte Runde an der Bar ausgerufen wurde, war ich nicht enttäuscht, sondern froh, da mein Abend schon um einiges früher begann als der der Gäste. Klar ist, ich befinde mich in einem Club an einer Party. Jedoch nicht, um ausgelassen zu feiern.
Das Feiern überlasse ich nämlich denen auf der anderen Seite. Was die andere Seite ist, fragst du dich? Nun, für mich gibt es an diesem Abend zwei Seiten: Die, auf der ich stehe, auf der der Platz minimiert ist, der Alkohol sich stapelt und auf der zu Spitzenzeiten mehr los ist als auf der ebengenannten anderen Seite, die sowohl Tanzfläche, Fumoir und auch die Bühne einschliesst. Ich stehe nämlich hinter der Bar.
Ein seltsames Gefühl, wenn man eben genau diese Bar sonst nur von vorne oder eben der anderen Seite kennt. Doch treffen erstmal die Gäste ein, bleibt gar keine Zeit mehr für diese Gedanken. Dann ist der Körper nämlich vollends damit beschäftigt, sich vorzubeugen, zu versuchen, die Bestellungen zu verstehen, hin und her zu laufen, Kühlschränke zu öffnen und einzukassieren.
Bei diesem Trubel fühlt sich jeder Neuling anfangs überfordert, doch je mehr die Zeit fortschreitet, desto mehr gewöhnt man sich ein, weiss, was man womit mischen muss und kann sowohl die Getränkeliste als auch die zugehörigen Preise auswendig. Doch in den Momenten, in denen der Ansturm nicht so gross ist und die meisten Gäste mit Getränken versorgt sind, wird es erst richtig interessant.
Dann bleibt nämlich etwas Zeit, um alle Anwesenden etwas zu studieren. Mal sehen, wen haben wir denn hier alles…?
Im hinteren Bereich, der recht weit weg von der Bühne, dafür näher bei der Bar ist, befinden sich einige junge Frauen, die eher ruhig an ihrem Getränk nippen und wie ich, die ganze Situation erstmal beobachten wollen. Zwar stecken sie garderobenmässig in Party-Vollmontur, doch trotzdem wirken sie noch etwas skeptisch gegenüber den jungen Männern vorne, die sich entschieden haben, ihre besten aber auch kuriosesten Tanzbewegungen auszupacken und vor allen zum Besten zu geben. Was zwar amüsant zu beobachten sein mag, aber auch Nachteile hat: Beispielweise, weil dort vorne sehr schnell mal eine Bierflasche zu Bruch geht.
Doch apropos Bierflasche: Aufgefallen ist mir auch ein Mann in der linken hinteren Ecke des Raumes. Bestimmt jede halbe Stunde kommt er wieder zu uns an die Bar, um das immer gleiche Bier nachzubestellen. Und sobald er seine neue Flasche hat, verweilt er noch ein wenig an der Bar, bevor er wieder zu seinem gewohnten Platz zurückkehrt und sich die Menge besieht. Kein besonderer Partylöwe, wie mir scheint. Und trotzdem ist er hergekommen, hat Eintritt bezahlt und ist ein guter Kunde an der Bar, während ihn die wilde Trap Musik jedoch kaum zum Tanzen bewegt und er lediglich mit dem Kopf nickt und etwas mit dem Fuss wippt.
Allerdings kann ich mir während des Abends noch einige Gesichter mehr merken, als das seine. Beispielweise die von den drei jungen Herren, die jedes Mal Gin Tonic wollen und doch immer wieder vergessen, wie viel einer kostet. Ob der Konsum des Drinks mit dem Vergessen des Preises zusammenhängt, lasse ich jetzt mal so stehen.
Und während es bei den einen, die immer das Gleiche bestellen, einfacher ist, die mir ins Ohr gerufene Bestellung zu erraten, sind die Gäste, die immer etwas anderes wollen, auch ganz interessant zu beobachten. Sie besorgen sich die Getränkekarte, lassen ihre Augen hin und her wandern und lassen mir die Möglichkeit zu raten, wofür sie sich wohl entscheiden.
Doch nun, da gerade eben die letzte Runde ausgerufen wurde, müssen diese Gedanken wieder beiseitegeschoben werden. Es wird ein letztes Mal ausgeschenkt heute Abend (oder heute Morgen), da sollte ich bei der Sache sein, um meine Aufgabe auf der anderen Seite der Bar gut erfüllen zu können.
Dieser Beitrag ist als Erstpublikation auf tize.ch erschienen.