Studentische Vereinigungen, es gibt unzählige davon. Allein an der Universität Zürich gibt es 18 Studentenverbindungen und 70 weitere studentische Organisationen. Als Erstes mag einem das Bild amerikanischer Verbindungen aus Film und Fernsehen vorschweben. Jedoch schliesst dieser Blickwinkel manche Arten von studentischen Verbänden aus. Ein Überblick.
Studentische Organisationen sind in der Schweiz weit verbreitet. Doch nicht alle hinterlassen einen durchwegs positiven Eindruck in der Öffentlichkeit. Es gibt nicht die Studentenorganisation, sondern viele verschiedene Gruppierungen: Am gängigsten sind offizielle studentische Organisationen, Fachvereine sowie Studentenverbindungen.
Fast jede Hochschule hat eine eigene offizielle Studentenorganisation, welche sich für die Gesamtheit der Studierenden stark macht, deren Interesse gegenüber der Hochschule vertritt und diverse Dienstleistungen erbringt: sei es Jobvermittlung, Herausbringen einer Studentenzeitung oder das Organisieren eines Speed-Dating-Events.
Offizielle Studierendenorganisationen arbeiten meist mit ihrer Hochschule zusammen und erhalten Geld von ihr. So auch der Verein Studierende der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (VSZHAW) in Winterthur. Leandro Huber, Präsident des VSZHAW, erklärt aber, man sei unabhängig, nicht Teil der ZHAW an sich und es handle sich um einen sehr kleinen Betrag: „Hauptsächlich finanzieren wir uns über die freiwilligen Mitgliederbeiträge der über 12‘000 Studierenden.“
Von Studierenden für Studierende
Offizielle Studierendenorganisationen haben klare Strukturen und klare Ziele. Die StudentInnenschaft der Universität Bern SUB schreibt auf ihrer Website, sie möchten ihren Mitgliedern helfen, das Studium und ihren Alltag an der Uni zu bewältigen. Leandro Huber, welcher neben seiner Tätigkeit als Präsident des VSZHAW selber an der ZHAW studiert, bestätigt, dass dies auch einer seiner Gründe war, ein aktives Mitglied des VSZHAW zu werden. Ihm geht es aber noch um einen weiteren Punkt: „Ich wollte den Studierenden mehr bieten als den „normalen Studiumsalltag“, ich möchte eine Kultur fördern, die dazu führt, dass man gerne an der ZHAW studiert und stolz darauf ist.“ Diese Kultur sei natürlich auch stark abhängig vom Engagement der Studierenden, wie ihm selbst, und so habe er begonnen sich einzubringen.
Eine ähnliche Zielsetzung haben auch studentische Fachvereine. Sie organisieren sich für ihre jeweilige Studienrichtung oder ein bestimmtes Interessensgebiet. Dabei helfen sie Mitstudierenden im gleichen Studiengang Anschluss zu finden und stärken den Gemeinschaftssinn. Die einfachste Möglichkeit, sich über diese Art studentischer Organisationen seiner Hochschule zu informieren, ist der Besuch der “Activity Fair” oder ähnlicher Events. Dort kann man sich an Ständen direkt mit Mitgliedern unterschiedlicher Vereine unterhalten. Diese Veranstaltungen finden meist am Anfang des Semesters statt. Hat man sie verpasst, kann man sich auf der Webseite der Hochschulen über sämtliche Studentenorganisationen informieren.
Angebliche Schwarze Schafe
Die Studentenverbindungen an Hochschulen geniessen im Gegensatz zu den offiziellen Studentenvertretungen nicht den besten Ruf. Berichte aus den USA und Deutschland fördern das Bild von Besäufnis, Tätlichkeiten, Belästigung, Rechtsextremismus und Diskriminierung von Frauen. Doch lässt sich dieses Bild auch auf Studentenverbindungen in der Schweiz projizieren?
Die Commercia Aarau ist eine Studentenverbindung, hat ihren Ursprung jedoch nicht an einer Hochschule, sondern wurde 1974 an der Handelsschule des KV Aarau gegründet. Der Leitsatz der Verbindung lautet darum „«Commercia est Vita», Handel ist Leben. Heute sind die Mitglieder ein buntes Gemisch aus Studierenden jedweder Fachrichtung und Personen aus der KV-Branche.
Ein Mitglied der Commercia Aarau erklärt auf Anfrage, dass er wegen den Vorurteilen gegenüber Studentenverbindungen nicht gerne Auskunft gäbe: „Wir hatten erst letzthin gegen Vorwürfe zu kämpfen, weil wir Frauen nicht in unserer Verbindung zulassen.“ Auf der Website von Commercia Aarau steht dazu: „Die Commercia Aarau ist männlichen Mitgliedern vorbehalten. Es existieren jedoch in der Schweiz, analog zu Sportvereinen oder anderen Interessensgemeinschaften, auch einzelne Verbindungen, die ausschließlich Frauen und/oder beiden Geschlechtern offen stehen.“ Und man organisiere regelmäßig Anlässe, an welchen auch die Partnerinnen der Mitglieder herzlich willkommen seien. Zu den Vorwürfen von Rassismus und Rechtsextremismus in Studentenverbindungen macht das Mitglied klar: „Wir haben keine politische Gesinnung oder Ausrichtung, noch sind solche Dinge Themen bei unseren Anlässen.“ Nur beim Alkoholkonsum bestätigt er: „Ja, es geht ab und zu feuchtfröhlich zu und her, aber alles haltet sich im Rahmen. Die älteren Mitglieder schauen da schon.“
Distanzierung vom Verein fürs Leben?
Zu den Anlässen der Commercia Aarau gehören neben dem Traditionsanlass Kneipp, bei welchem man zusammensitzt und diskutiert, auch Sport- und Bildungsanlässe. Es gibt ein Jahresprogramm und die Commercia Aarau beteiligt sich jeweils sowohl am Maienzug wie auch an der Bachfischet. Beides sind Traditionsanlässe der Stadt Aarau mit Umzügen und Feierlichkeiten. Somit unterscheidet sich diese Studentenverbindung wenig von anderen regionalen Interessensvereinen. Doch Studentenvereine haben insbesondere auch den Ruf, sich als Kontaktbörse zu lohnen. Stimmt das? Das Mitglied von Commercia Aarau bestätigt: „Es heißt nicht ohne Grund „Verbindung“. Ich habe schon am gleichen Tisch wie der Chef des Verteidigungsdepartements vom Bund gesessen.“
Während sich die Commercia Aarau bedeckt hält, katapultierte sich die Verbindung A.V. Amicitia der Universität St. Gallen 2015 in die Öffentlichkeit, als sie sich eine Stripperin auf den Campus bestellte. Aktionen wie diese sind den Hochschulen ein Dorn im Auge und nicht gern gesehen. Sprecher Marius Hasenböhler der Universität St. Gallen sagte zum Vorfall: „Die Universität St. Gallen distanziert sich in aller Form von derlei Aktionen. Sollte diese Aktion von einem an der HSG akkreditierten Verein geplant und durchgeführt worden sein, werden disziplinarische Massnahmen gegen den Verein und allenfalls auch gegen die Involvierten die Folge sein.“
Zusätzlich wird Studentenverbindungen vorgeworfen, dass ihre traditionellen Bräuche über das simple Tragen der Vereinsmütze hinausgehen und sich Neulinge einiges gefallen lassen müssen, um überhaupt aufgenommen zu werden. Dagegen findet das Mitglied der Commercia Aarau: „Bei uns hat es grandiose Leute. Man schaut füreinander. Es ist wirklich ein Verein fürs Leben.“
Internationale Studierendenorganisationen
Internationale Vernetzung bietet ESN (Erasmus Student Network), welches Austauschstudenten unterstützt und deren Integration in der Schweiz fördert. EGEA (European Geography Association) ist in Städten in ganz Europa vertreten und so auch in der Schweiz in Bern und in Zürich, wobei auch Nicht-Geografie-Studenten beitreten können. AIESEC ist als weltgrösste Studentenorganisation global und national weit verbreitet. Sie organisieren Austausche und setzen sich so für die Förderung von interkulturellem Verständnis ein. IAESTE (International Association for the Exchange of Students for Technical Experience) vermittelt Praktikumsplätze im Ausland für Studenten aus dem technischen und naturwissenschaftlichen Bereich. Und schliesslich kriegt man bei MUN (Model United Nations) die Chance, gemeinsam mit anderen Studierenden über weltpolitische Angelegenheiten zu debattieren.
Mutter aller Studierendenorganisationen
Der Verband der Schweizer Studierendenschaften VSS, welcher übergeordnet die Position der Studierenden gegenüber wichtigen Institutionen und Organisationen der Hochschulbildung vertritt, hat hingegen keine spezifische Position zu den Studentenverbindungen. Dem VSS können sämtliche Studierendenorganisationen einer Hochschule beitreten. Allerdings müssen sie drei Kriterien erfüllen: Die Vereine müssen demokratische Strukturen haben, parteipolitisch neutral sowie nicht diskriminierend sein.
Zusammen mit den lokalen Studierendenorganisationen setzt sich der Verband für die Chancengleichheit auf Bildung, Hochschulzugang ohne Diskriminierung und eine Harmonisierung des Stipendienwesens ein.
Der Nutzen von Studierendenorganisationen sieht Jonas Schmidt, Co-Präsident des VSS, zum einen in deren Vertretungsposition für die Studierenden. Studierendenorganisationen seien wichtig um die Meinung und die Interessen der Studentinnen und Studenten gegenüber der Hochschule zu organisieren und zu vertreten. Zum anderen sieht er den Nutzen im Erfahrungswert, wenn man aktiv Teil eines Verbands ist: „Jede Person kann sich in Studierendenorganisationen engagieren, was eine gute Möglichkeit bietet, Erfahrungen zu sammeln, Dinge zu lernen und sich am gesellschaftspolitischen Geschehen zu beteiligen.“