Eine pädagogische Weiterbildung geht weit über den klassischen Lehrberuf hinaus. Rödiger Voss ist Kompetenzcenterleiter für Wirtschaftspädagogik an der Kalaidos Fachhochschule. Im Interview mit uns erklärt der Dozent, wie man Wirtschaftspädagoge wird, wie die Weiterbildung aufgebaut ist und wo er beim Schweizer Bildungssystem Verbesserungspotential sieht. 

Wie sind Sie Dozent für Wirtschaftspädagogik geworden

Die Grundlage waren meine Studienabschlüsse: der Master of Education in Wirtschaftspädagogik/Lehramt an Berufskollegs sowie der Master of Science Business Administration an der Universität Köln. Es machte mir Spass, Tutorien für Mitstudierende zu leiten und Lernvorträge zu halten. Auch die Betreuung von Auszubildenen im elterlichen Betrieb regte mich zu diesem Studium an. Nach dem Studium wurde ich Lehrperson an einer Berufsschule. Mein Forschungsdrang führte mich aber zurück an die Universität, um in Pädagogik zu promovieren. Damit war dann auch ein weiterer Baustein für meine Tätigkeit als Dozent gelegt. 

Wie haben Sie Ihre pädagogischen und betriebswirtschaftlichen Kompetenzen danach weiterentwickelt?

Weiterbildungen gehören zum Job dazu, da sollten Dozierende offen sein. Deshalb habe ich auch einen CAS zum Thema digitaler Lehre und Inklusionspädagogik belegt, um mein Fachwissen zu vertiefen. Ich habe an zahlreichen Hochschulen in unterschiedlichsten Funktionen gearbeitet, etwa als Studiengangsleiter eines MSc oder als Qualitätsbeauftragter einer Bildungseinheit. Auch ehrenamtliche Tätigkeiten sind hilfreich. So bin ich etwa Gutachter in Akkreditierungsverfahren von Hochschulen für die Akkreditierungsagenturen ACQUIN und FIBAA. Allein aus dieser Tätigkeit heraus kann ich viel Input in Lehrmodule geben.

Kommen wir zu Ihrem Studiengang an der Kalaidos FH – dem MAS FH (Master of Advanced Studies) in Wirtschaftspädagogik. Mit welchen Wünschen oder Zielen belegen die Teilnehmenden Ihren MAS Wirtschaftspädagogik?

Unsere Zielgruppe sind ja allgemein Personen aus der Wirtschaft und Industrie, die sich wirtschaftspädagogische Inhalte aneignen respektive ihre bisherigen Lehrerfahrung optimieren möchten. Deren vornehmlichen Wünsche sind, der Karriere einen neuen Schub zu geben oder die Persönlichkeit weiter zu entwickeln. Die Studierenden kommen in der Regel mit einem breiten betriebswirtschaftlichen Vorwissen und wollen die pädagogische Zusatzqualifikation erwerben. Gründe dafür können anvisierte Leitungspositionen im HR-Bereich sein. Häufig besteht ein Wunsch, sich umzuorientieren. Kurz gesagt, eine Qualifikation zu erlangen, um an Schulen oder Hochschulen lehren zu können. Der MAS bildet zudem ein gutes Fundament für zahlreiche selbstständige Tätigkeiten wie etwa freiberuflicher Bildungs- oder Personalberater/in oder Lerncoach.

Wie sehen die inhaltlichen Schwerpunkte Ihrer Weiterbildungen aus? 

Um den Master in Wirtschaftspädagogik zu erlangen, sind drei CAS im Online-Studium zu absolvieren und eine Masterarbeit zu schreiben. Der MAS FH Wirtschaftspädagogik an der Kalaidos Fachhochschule vermittelt den Studierenden zunächst in einem CAS die Grundlagen des Lehrens und Lernens, geeignete Handlungskompetenzen sowie Methoden der Wirtschaftspädagogik. In einem weiteren CAS erlangen die Teilnehmenden Kenntnisse im Assessment und in Evaluation, Grundlagen des Lehr-Lern-Coachings sowie der Lernpsychologie. Im dritten CAS werden Einblicke in Themengebiete der Bildungsplanung wie etwa des Bildungsmanagements, der Inklusionspädagogik oder der Medienpädagogik gegeben. Die ganze Lehre ist streng praxisbezogen. 

Können Sie etwas genauer auf die beschriebenen CAS eingehen? Sind diese auch einzeln zu belegen? Sind diese mit anderen Angeboten auf dem Markt vergleichbar?

Für Personen im Bildungsbereich, die sich fokussiert auf bestimmte Aufgabenbereiche spezialisieren wollen, ist es sinnvoll einen einzelnen CAS zu belegen. Die Inhalte vom «CAS Wirtschaftspädagogik: Grundlagen Lehr-Lern-Management» sind etwa mit dem «SVEB Zertifikat Kursleiter/in» in der didaktischen Ausrichtung weitgehend vergleichbar, angereichert um  eine wissenschaftliche Perspektive. Ergänzt mit dem «CAS Wirtschaftspädagogik: Coaching, Evaluation und Lernpsychologie» können Teilnehmende ein Diploma of Advanced Studies erwerben. Damit erhalten aktuelle und künftige Dozierende ein umfangreicheres pädagogisches Wissen als in vergleichbaren CAS-Angeboten zur Professional Education, zur Weiterbildung oder zur Hochschuldidaktik, spezialisiert auf das Gebiet der Wirtschaftswissenschaften. 

Welchen Herausforderungen sehen Sie Wirtschaftspädagogen/pädagoginnen in Zukunft ausgesetzt?

Sie sehen sich der Herausforderung ausgesetzt, dass die Lehre im stetigen Wandel ist. Die eigene Weiterbildung sollte also stets Thema bleiben. Die Digitalisierung der Lehre ist in diesem Zusammenhang zur Zeit eine besonders relevante Aufgabe. Auch die Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden immer individueller und damit heterogener. Dem muss in der Lehrplanung Rechnung getragen werden. Den Lernenden wird immer mehr Verantwortung für den Lernprozess übertragen. Das Lerncoaching rückt damit in den Mittelpunkt. 

Sind Sie zufrieden mit dem Schweizer Bildungssystem? Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?

Im internationalen Vergleich ist das Schweizer Bildungssystem sicher ausgezeichnet aufgestellt. In Sachen der Weiterbildung steht die Schweiz sogar weltweit an der Spitze. Eine Kritik, die in vielen Bildungssystemen auftritt, trifft leider auch die Schweiz: Die soziale Gerechtigkeit. Je nach sozialem Hintergrund ergeben sich andere Startmöglichkeiten für Individuen in ihrer schulischen Sozialisation. Auch die Inklusion von allen Lernenden im Bildungssystem ist sicher noch nicht abgeschlossen. Dies ist übrigens auch ein Modulthema in unserem MAS FH in Wirtschaftspädagogik

Was unterscheidet die Kalaidos Fachhochschule von anderen Bildungsinstitutionen?

Die Kalaidos FH versteht sich ihrem Leitbild nach als bevorzugte Fachhochschule für Berufs- und Familientätige, die sich karrierewirksames Wissen schnell, zuverlässig und professionell aneignen wollen. Und dieser Gedanke wird durch eine sehr kundenorientierte und individuelle Betreuung auch gelebt, die speziell auf die Zielgruppe zugeschnitten ist. Meiner Wahrnehmung nach ist das ein elementares Qualitätsmerkmal. Als Kompetenzcenterleiter respektive Dozierender profitiere ich von den Studierenden, die aufgrund ihres beruflichen Hintergrundes viel Praxis in die Lehre einbringen können. Das führt zu fachlichen Diskussionen auf hohem Niveau. 

Welche zentralen Vor- und Nachteile gibt es im Fernstudium?

Bei online-basierten Lehrangeboten besteht eine hohe Flexibilität in zeitlicher und räumlicher Hinsicht. Dies ist sowohl Vor- als auch Nachteil. Ein Fernstudium erfordert deshalb Lerndisziplin und ein ausgezeichnetes Zeitmanagement, da Studierende eine hohe Selbstverantwortung für den Lernprozess tragen. Studierende der Kalaidos FH sind in der Regel im Job und haben sich die entsprechenden Kompetenzen schon angeeignet. Es gibt einige, die sich mit solchen Bildungsangeboten nicht anfreunden können und die die Bildschirmarbeit ermüdet. 

«Bei online-basierten Lehrangeboten besteht eine hohe Flexibilität in zeitlicher und räumlicher Hinsicht. Dies ist sowohl Vor- als auch Nachteil», erklärt der Dozent Rödiger Voss.

Wie sehen Sie das Fernstudium nach der Corona-Pandemie langfristig?

Unsere Gesellschaft geht in vielen Bereichen immer mehr in Richtung Digitalisierung und das Fernstudium ist davon sicher ebenso betroffen, das wäre auch der Verlauf ohne die Pandemie gewesen. Nicht zu vergessen ist, dass immer mehr Digital Natives, also Personen der gesellschaftlichen Generation, die in der digitalen Welt aufgewachsen sind, in das Studium einsteigen. Für diese Zielgruppe ist die Online-Lehre dann auch ganz natürlich. Dadurch hat die Entwicklung der Online-Formate einen weiteren Schub erhalten. Aus den genannten Gründen wird das Fernstudium ein grösseres Gewicht im Bildungssystem einnehmen. Auch gemischte Formate, so genanntes blended learning, werden wohl einen steigenden Stellenwert erhalten. An ein vollständiges Verdrängen der Präsenzlehre denke ich in den nächsten Jahren noch nicht. 

Welche Tipps würden Sie künftigen Dozierenden auf den Weg geben?

Ergänzend zu einem fachlichen Studium unseren MAS FH in Wirtschaftspädagogik zu belegen, um die pädagogischen Elemente zu perfektionieren. Ansonsten sollte die Selbstkompetenz gut ausgeprägt sein. Dazu gehört die Offenheit, sich immer wieder auf neue Situationen in der Lehre oder betrieblichen Aus- und Weiterbildung einzulassen. Selbst eine positive Einstellung zum Lifelong Learning zu besitzen, ist also unabdingbar.

Von welcher Person/Berühmtheit/Vorbild würden Sie gerne einmal unterrichtet werden?

Es wäre sicher einmal interessant, von Personen unterrichtet zu werden, die die Pädagogik zentral geprägt haben und bereits lange Zeit verstorben sind. Dazu gehört etwa Johann Heinrich Pestalozzi, der ein bedeutender Vertreter der Anschauungs- und Reformpädagogik ist. Aber auch von bekannten Ökonomen wie etwa Adam Smith etwas über Moralphilosophie des 18. Jahrhunderts zu erfahren, wäre sicher reizvoll. Und eine Lektion zum Thema Kunst und Performance bei Joseph Beuys wäre sicher ein sehr bereichernder und unkonventioneller Input.

Wir bedanken uns bei Herrn Voss für das Interview.

Bilder: Kalaidos FH

Kalaidos Fachhochschule


Die Kalaidos Fachhochschule ist die DIE Hochschule für Berufstägige. Sie ist die erste privatrechtlich getragene und von der Eidgenossenschaft akkreditierte Fachhochschule in der Schweiz. Mit 3500 Studierenden, über 11’000 Ehemaligen, 600 berufstätigen Dozierenden und rund 80 Bachelor- und Masterstudiengängen in den Bereichen Wirtschaft, Recht, Gesundheit und Musik, bietet die Kalaidos Fachhochschule ein breites Angebot an berufsbegleitenden Studiengängen.