Die Suche nach einer WG gleicht häufig einem blinden Herumfischen in einem Tümpel. Beim Durchklicken durch den dichten Dschungel an Inseraten auf Internetplattformen lassen sich aber schnell gewisse WG-Typen erkennen.
Es ist für Studierende wohl bei einem Auszug von Zuhause die schwierigste Aufgabe: Die Suche nach einer passenden neuen Bleibe. Möglichst nahe bei der Hochschule soll sie sein, geräumig und natürlich auch das knappe Budget möglichst wenig belasten. All jene, die nicht von Vitamin B durch eine grosse Diaspora aus dem eigenen Heimatdorf profitieren können, suchen heute vorzugsweise im Internet nach einem neuen Dach über dem Kopf.
Auch der Autor dieses Artikels will das Familiennest trotz italienischer Herkunft irgendwann langsam aber sicher verlassen und auf die hausgemachte Lasagne fatto da Mama zumindest teilweise verzichten. Dafür schaute er sich auf den bekannten Portalen um und versuchte, in der schier endlosen Auswahl den Überblick zu behalten. Doch nach einigen Monaten der Suche steht fest: Es ist bei weitem nicht ganz so «easy» (wie mir einige Kommilitonen versicherten), die passende WG zu finden. Je länger die Schnitzeljagd dauerte, desto stärker kristallisierten sich die folgenden vier Typen an WG-Inserenten heraus.
Der Immobilienmakler
Das Phrasenschwein aus der deutschen Fussballsendung «Doppelpass» würde vor Freude nicht mehr mit dem quieken aufhören: Wer auf die Superlativjäger stösst, hat schnell einmal das Gefühl, dass das Inserat definitiv von einem schleimendem Makler mit sorgfältig nach hinten gegeltem Haar stammen muss. Aus seiner Sicht besteht sein Portfolio nur aus Liebhaberobjekten, die wahlweise super geräumig oder dann ausnahmsweise halt nur geräumig sind. Natürlich darf es auch gerne mal ein Bijou sein, das top modern und hell ist. Je nach Lage lockt entweder ein super lauschiger Innenhof oder ein wunderschöner Ausblick auf die Stadt. Bei letzterem gehört gerne auch mal der Satzteil «mit Blick ins Grüne» dazu.
Trotz der einmaligen Lage ist die neue Bleibe trotzdem total zentral und auch der Hauptbahnhof liegt in Gehdistanz. Die Wahrheit kommt erst ans Licht, wenn der Makler die Anzahl Quadratmeter weiter unten angibt und scheinbar das Gefühl für Raumgrössen nicht ganz so sein Ding zu sein scheint. Auch der Begriff Gehdistanz hat er als Spitzensportler natürlich anders interpretiert. Da helfen auch unterbelichtete Fotos mit dem Mobiltelefon nichts als Verkaufsargument. Ebenfalls nicht gerade positiv wirkt sich der Fakt aus, dass der Makler sein Inserat schon zum vierten Mal gelöscht und neu aufgeschaltet hat…
Das Ersatzhotel
Von Zuhause auszuziehen heisst bei vielen auch, dass plötzlich ein gewisser Komfort von Hotel Mama wegfällt. Gewaschen wird von nun an selber und auch ein periodischer Griff in den Putzschrank kann definitiv nicht schaden. All jenen, die jetzt schon den Kopf hängen lassen, sei gesagt: Es gibt scheinbar auch WG-Plätze mit All-inclusive-Angebot wie im Ferienressort. Von Wohlfühloasen oder Wohlfühlklima ist da häufig die Rede. Neben allen Nebenkosten ist meistens auch noch eine Reinigungskraft im Mietpreis dabei.
Blöd nur: Häufig huscht die nette Dame (oder der nette Herr) nicht durch das eigene Zimmer, sondern poliert nur Küche, Bad und Stube auf Hochglanz. Willst du also nicht bald an einer Stauballergie leiden, solltest du ab und zu auch mal unter deinem Bett sauber machen. Auch kommt die Reinigungskraft meistens nur einmal die Woche vorbei – also bitte Kevin, entsorge die leeren Pizzaschachteln selber, bevor das muntere Pilzwachstum einsetzt!
Das Detektivbüro
Diese Inserate enden meistens nicht mit «wir freuen uns, dich kennenzulernen». Da sind eher Sätze wie «bitte sende uns einen Beschrieb MIT FOTO zu» an der Tagesordnung. Auch Auszüge aus dem Betreibungsregister und Haftungsverträge durch die Eltern im Falle von ausbleibenden Zahlungen werden da bereits mal pro forma gefordert. Wer tendenziell eher einen Bogen um solche Wohngemeinschaften macht, ist damit wohl nicht allein. Doch sollte es bei WG-Ausschreibungen nicht eher wie bei den Italienern laufen? Zuerst trifft man sich und plaudert (beziehungsweise besichtigt), und erst am Ende wird bei wirklichem Interesse über die Details verhandelt.
Die Headhunter
Auch Inserenten von dieser Gruppe haben bereits klare Vorstellungen, was der oder die Neue alles mitzubringen hat. Fotos und Betreibungsregisterauszüge sind für sie aber wesentlich weniger interessant als die Person selber. Es sind nur Nichtraucher willkommen (da auch der eigene Balkon keine Qualmzone ist), nur Wochenendaufenthalter haben dürfen sich überhaupt eine Chance ausrechnen und Partys mit einem Bier pro Person nach einem nervenaufreibenden Semester sind tabu. Zudem soll es bitteschön ja kein Mann sein und das Wunschalter 30 steht auch schon fest (Toleranzjahre gegen oben oder unten gibt es keine). In der Beschreibung fehlt im Grunde nur noch ein absolutes Sprechverbot nach sieben Uhr abends, damit die Wohnung an ein abgelegenes Häuschen irgendwo im schwedischen Hinterland erinnert (was ja für eine Ferienwoche ganz schön wäre).
Auch über die Mitbewohner selber steht nur so viel, wie ein Blick in die Polizeiakte eines unbescholtenen Bürgers verraten würde: Frau, 35 J, Kind zeitweise vor Ort. Das Problem bei den Headhuntern: Die Idee von Abschnitten wie «Wir sind» ist, dass auch das potenzielle WG-Gspönli sich etwas unter den anderen Bewohnern vorstellen kann. Da bringen Angaben wie oben herzlich weniger, ausser dass sich WG-Suchende den Charakter selber zusammendichten können. Und wer so detaillierte Vorstellungen hat, kann auch gleich direkt bei der Einwohnerkontrolle nach allen 30-jährigen Frauen fragen.
Zum Glück stammen nicht alle Inserate von den oben beschriebenen Typen. Dennoch überlege ich mir nun zweimal, ob eine WG wirklich passen könnte oder ich doch noch lieber einen Monat länger die hauseigene Pasta a la Mama geniesse!
Dieser Beitrag ist als Erstpublikation auf Brainstorm erschienen.