Die Universität Zürich war eine der ersten Hochschulen in Europa, welche Frauen zum Studium zuliess. Die erste Studentin musste sich das Recht auf eine Immatrikulation noch hart erkämpfen – heute sind mehr als die Hälfte der Studierenden Frauen.

Eine hartnäckige Russin verfolgt ihr Ziel

Die Russin Nadezda Suslowa war eine junge, intelligente und willensstarke Frau, die 1865 ein Ziel hatte: Sie wollte Medizin studieren. Jedoch herrschte in ihrer Heimat Russland zu dieser Zeit ein Hochschulbildungsverbot für Frauen. Suslowa verliess deshalb mit 23 Jahren St. Petersburg, um an der Universität Zürich Medizin zu studieren. Sie wurde die erste Frau in Europa, welche an einer Universität promovierte.
Nadezda Suslowa verfolgte ihren Traum eisern – und ebnete somit den Weg für nachfolgende Studentinnen. Quelle: researchgate

Die Universität Zürich galt 1865 als äusserst liberale Bildungsstätte. Sie war die erste Hochschule Europas, welche nicht von einer Kirche oder einem Landesfürsten gegründet wurde, sondern von einem demokratischen Staatswesen – dem Regierungsrat des Kantons Zürich. Schon wenige Jahre nach der Gründung 1833 gestattete die Universität Zürich Frauen den Zutritt zu den Vorlesungssälen, vorerst jedoch nur als Gasthörerinnen.

Als Suslowa 1865 in Zürich ihr Studium begann, wollte sie nicht nur bloss als Hörerin an den Vorlesungen teilnehmen, sondern strebte – wie die Männer – einen Studienabschluss an. Suslowa war intelligent und hatte sich bereits in Russland ein grosses medizinisches Vorwissen angeeignet. Nur ein Jahr nach Beginn ihres Medizinstudiums an der Universität Zürich stellte die junge Russin den Antrag, das medizinische Staatsexamen abzulegen.

Nach ausgiebigen Diskussionen zwischen der Fakultät und dem Erziehungsdirektor wurde der entschlossenen Russin erlaubt, sich rückwirkend zu immatrikulieren. Die Entscheidung wurde erstaunlich pragmatisch begründet: Da sich keine eindeutigen Gesetze gegen die Einschreibung einer Frau finden liessen, wollte man Suslowa eine Chance geben. Mit der offiziellen Immatrikulation stand Suslowas Promotion nichts mehr im Weg und sie legte am 14. Dezember 1867 den Doktortitel ab.

Universität Zürich in der Vorreiterrolle

Mit Suslowa wurde die Universität Zürich eine der ersten Hochschulen in Europa, an der Frauen nicht nur als Gasthörerinnen zugelassen wurden, sondern sich als vollwertige Studentinnen immatrikulieren und einen Abschluss erlangen konnten. Bald folgten weitere Schweizer Universitäten. 1872 wurden Studentinnen an der Universität Genf und der Universität Bern zugelassen. In Basel dauerte es noch etwas länger, dort durften Frauen erst im Jahr 1890 studieren.

Die Nachricht, dass an der Universität Zürich nun auch Frauen studierten, verbreitete sich schnell. 1873 betrug der Frauenanteil bereits rund 26 Prozent. Die Studentinnen waren damals alles Ausländerinnen, hauptsächlich aus Russland. Erst 1874 promovierte Marie Heim-Vögtlin als erste Schweizer Studentin an der Universität Zürich. Der Anteil der Schweizerinnen blieb jedoch bis zur Jahrhundertwende sehr gering. Grund dafür waren die negativen Reaktionen in der Bevölkerung und die schulischen Hindernisse, welche sich den Frauen stellten. Denn Mädchen durften in der Schweiz keine vorbereitenden Gymnasien besuchen, was den Eintritt in das Studium erheblich erschwerte.

Schafften es die Frauen trotzdem, ein Universitätsstudium abzuschliessen, erwarteten sie spätestens bei der Berufsausübung weitere Hürden: Juristinnen durften nicht als Anwältinnen arbeiten, Ärztinnen erhielten keine Assistenzstelle und Theologinnen durften keine Kanzel besteigen. Frauen waren Ende des 19. Jahrhunderts zwar zum Studium zugelassen, doch bis sich ihre Berufsmöglichkeiten verbesserten, würden noch viele Jahrzehnte vergehen.

Früher waren Frauen eine deutliche Minderheit an den Hochschulen, heute machen sie knapp mehr als die Hälfte der Studierenden aus. Quelle: pexels

«Nach mir werden Tausende kommen»

«Ich bin die Erste, aber nicht die Letzte. Nach mir werden Tausende kommen», schrieb Suslowa anlässlich ihrer Immatrikulation 1866 in einem Brief. Suslowa würde Recht behalten. Seit ihrem Antrag für einen Studienabschluss hat sich viel verändert und die Frauenquote an den Hochschulen stieg im Zuge der Frauenbewegung und Gleichstellung langsam aber stetig an. Heute studieren an den Schweizer Hochschulen sogar mehr Frauen als Männer, jedoch verteilt sich dies unterschiedlich auf die verschiedenen Hochschultypen. An den universitären Hochschulen stellen laut Bundesamt für Statistik die Studentinnen mit einem Anteil von 51 Prozent knapp die Mehrheit dar. An den Fachhochschulen liegen die Frauen mit einem Anteil von 47.7 Prozent in der Minderheit. Besonders stark vertreten sind Frauen heute an den Pädagogischen Hochschulen – dort machen sie insgesamt 72.3 Prozent aller Studierenden aus.