Um junge Menschen über aktuelle Politik-Themen zu informieren, veranstaltet «Discuss it» regelmässige Podiumsdiskussionen an Schweizer Kantons- und Berufsschulen. Melina von Bildungsmagazin war am vergangenen Event der Kantonsschule Büelrain in Winterthur dabei und hat Spannendes über die jüngste Wählerschaft erfahren.

Als die Politikerinnen in der Aula der Kantonsschule Büelrain Winterthur (KBW) eintreffen, stehen ihre Namensschilder und Henniez-Flaschen bereits auf den Stehtischen: Daniel Heierli, Zürcher Kantonsrat der Grünen, Jessica Brestel von den Jungfreisinnigen der Stadt Zürich, die Präsidentin der CVP Kanton Zürich Nicole Barandun sowie Nina Fehr Düsel, Zürcher Kantonsrätin der SVP sind die heutigen Gäste. Sie debattieren die beiden Vorlagen, über die das Schweizer Stimmvolk am nächsten Sonntag abstimmt – die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie sowie das Bundesgesetzt über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung, kurz STAF.

Während sich die Debattierenden mit Mikrofonen ausrüsten und ihre Notizen zurechtlegen, steht Moderator Nicolas Solenthaler bereits in den Startlöchern. Er – selbst ehemaliger Gymnasiast der KBW – zählt heute zum Vorstand des rund 30-köpfigen Teams von Discuss it. Auch dabei sind die Vereinskollegen Pascal Spahni, Präsident und Mitgründer des Vereins und Tanja Weber, die heute als Fotografin fungiert. Discuss it wurde 2017 offiziell gegründet und veranstaltet momentan noch vorwiegend Politik-Podien im Kanton Zürich. Ausserdem besteht eine Partnerschaft mit je einer St. Galler, Luzerner und Aargauer Schule. «Im Kanton Aargau haben wir nun sogar ein eigenes Team, dass Discuss it in diesem Kanton selbständig aufbaut. Ziel ist es, dass es in Zukunft in allen Kantonen regionale Teams gibt, sodass künftig an jeder Kantons- und Berufsschule in der ganzen Schweiz regelmässig Veranstaltungen zu aktuellen Abstimmungsvorlagen und politischen Themen stattfinden», sagt Präsident Pascal Spahni.

Apolitische Jugend? Fehlanzeige!

Langsam aber sicher strömen die 6. Klässlerinnen in den Saal der Winterthurer Kantonsschule. Die einen schauen gespannt auf die Gäste, andere machen noch schnell ein Selfie für Snapchat. Die meisten Schüler seien schon über 18 Jahre alt und somit stimmberechtigt, sagen mir drei Jungs, die sich einen Platz in der hintersten Reihe ausgesucht haben. Wer jetzt meint, das Trio interessiere sich nicht für die Abstimmungen, der irrt. Bisher haben sie ihr Stimmcouvert jedes Mal zur Urne gebracht und auch über die aktuellen Vorlagen sind sie im Bild: «Wir freuen uns auf die heutige Veranstaltung und sind gespannt, welche Argumente die Politiker bringen.»
«Ich würde eine zusätzliche Politik-Lektion pro Woche begrüssen.»
Auch Lara und Sina, die ein paar Reihen weiter vorne sitzen, liegt die politische Bildung am Herzen. Sie stimmen ebenfalls regelmässig ab und wollen informiert sein: «Ich würde eine zusätzliche Politik-Lektion pro Woche begrüssen», meint Sina. Sie hätten die aktuellen Vorlagen zwar schon im Staatskundeunterricht besprochen, trotzdem hat die Schülerin noch einige Unklarheiten zur STAF. «Ich erhoffe mir, dass sich meine Fragen nach dieser Veranstaltung klären, damit ich weiss, wie ich abstimmen soll.» Die Vorlage sei schon ziemlich kompliziert, fügt sie hinzu.

STAF – Komplexe Vorlage im Fokus

Dass die STAF tatsächlich kein Pappenstiel ist, zeigt sich bereits an der Aufstellung des Politiker-Quartetts: Grüne und Jungfreisinnige bilden die Allianz der Gegner, während sich auf der Befürworterseite die CVP neben die SVP gesellt – ein ungewohntes Bild. Zu Beginn stellt Moderator Nicolas Solenthaler die Vorlagen kompakt vor, bevor die Debattierenden ihre Statements abgeben. Für die Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie ist nicht viel Zeit, der Fokus des einstündigen Podiums liegt heute auf der STAF. Übrigens ist es nicht die erste Veranstaltung von Discuss it an der KBW – das Gymnasium gehört zu einer der 17 Schweizer Schulen, an der Discuss it regelmässig Politk-Events durchführt.
(v.l.n.r.) Daniel Heierli, Zürcher Kantonsrat der Grünen sowie Jessica Brestel, Vizepräsidentin der Jungfreisinnigen Stadt Zürich stehen als Gegner der STAF den beiden Befürworterinnen Nicole Barandun, CVP-Präsidentin des Kantons Zürich und Nina Fehr Düsel, Zürcher Kantonsrätin der SVP gegenüber. Bildquelle: Tanja Weber, Discuss it
Die Gäste richten sich mit ihren Pro- und Contra-Argumenten an die Anwesenden im Saal wobei ich mir bei Ausdrücken wie «Steuersubstrat» und «mobile Gesellschaften» nicht ganz sicher bin, ob die Botschaft denn auch adressatengerecht verpackt ist. Als Brestel von den Jungfreisinnigen hingegen die STAF «eine Verarschung der Bürger» nennt, geht ein Raunen durch die Menge – dieses Wording scheint den Jugendlichen geläufig. Vor der Schlussabstimmung haben die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, Fragen zu stellen. Diese Chance wird von einigen genutzt, wobei bei der Schlussabstimmung ersichtlich wird: Zur STAF enthalten sich viele ihrer Stimme, dafür schiessen die Hände der Teenager bei der Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie in die Luft, die Mehrheit spricht sich für eine Annahme aus.
Die SchülerInnen können an den Discuss it Podien direkt Fragen an die PolitikerInnen stellen. Bildquelle: Tanja Weber, Discuss it

Das Abstimmungsbüchlein ist überraschend beliebt

Ich bin gespannt, ob sich Sinas Fragen zur STAF nach dem einstündigen Podium geklärt haben. «Ja», meint sie, «dafür haben sich jetzt ein paar neue ergeben.» Die beiden jungen Frauen, die vorher unsicher über Annahme oder Ablehnung waren, stehen nun eher auf der Seite der Befürworter. Sie müssten sich aber nochmals im Detail damit auseinandersetzen. «Ich lese das Abstimmungsbüchlein und diskutiere mit meiner Familie über die Vorlage», sagt Lara auf die Frage, wo sie sich informiere.
«Die Argumente Daniel Heierlis haben mich überzeugt.»

Auch Oliver und Lucien konsultieren das rote Abstimmungsbüchlein, um sich einen Überblick über die Materie zu verschaffen. Ich bin überrascht, dass dieses analoge Instrument bei den Digital Natives doch hoch im Kurs zu sein scheint. Darüber hinaus informierten sie sich bei easyvote.ch, recherchierten im Internet oder schauten die Arena, wie mir gesagt wird. Lucien war vor der Veranstaltung eher für die Annahme der STAF, jetzt hat er seine Meinung geändert: «Die Argumente Daniel Heierlis haben mich überzeugt.»

Der freie Mittwochnachmittag ruft. Verständlich, denn es wird für die Abschlussklässler vermutlich einer der letzten sein, bevor das Studien- oder Berufsleben beginnt.

Discuss it

Discuss it ist ein unabhängiger Verein engagierter StudentInnen und junger Berufsleute, der sich für das politische Interesse von Jugendlichen einsetzt und deren politische Bildung fördert. Dazu veranstaltet Discuss it an 17 Schweizer Kantons- und Berufsschulen ausgewogene und neutrale Politik-Podien mit Gästen aus der Schweizer Politiklandschaft. Discuss it zählt rund 30 Mitglieder, die sich alle ehrenamtlich für den Verein engagieren. Seit dem ersten Podium im November 2015 hat Discuss it bereits 88 Veranstaltungen durchgeführt. Allein letztes Jahr waren es 34 und dieses Jahr werden sich die Aktivitäten verdoppeln. Der Verein strebt eine starke Expansion an, um die Jugendlichen möglichst flächendeckend und regelmässig zu erreichen, um sie nachhaltig für Politik zu interessieren. Mehr Informationen auf discussit.ch, Facebook und Instagram.