Quelle: Pixabay
Wie funktioniert das Schweizer Stipendiensystem eigentlich genau? Warum ist es so kompliziert? Und wie fahren wir im Vergleich zu einem anderen Sozialstaat, mit dem wir gerne verwechselt werden?

Studieren ist teuer. Zu der Erkenntnis kommt man spätestens, wenn man sich plötzlich wundert, wo all die grünen Becher in der Mensa hin sind. Bevor man sich aber nur noch von Instant-Ramen ernähren kann, gibt es die Möglichkeit, sich für ein Stipendium zu bewerben.

Kantönligeist in der Schweiz

Stipendien sind hierzulande nicht sonderlich verbreitet. 0.2– 1.2 Prozent der Bevölkerung beziehen jedes Jahr Stipendiengelder. Im internationalen Vergleich ist das wenig. Gerade mal ein Prozent der Bildungsausgaben werden dafür ausgegeben. Ein normaler Jahresbetrag für ein Stipendium auf tertiärer Stufe (Hochschulen) liegt in der Regel zwischen 4’000 und 11’000 Franken. Die Beträge variieren stark zwischenden Kantonsgrenzen. In Zürich beziehen relativ viele Studenten Stipendien (ungefähr 4’200 in 2017), dafür ist die ausgezahlte Summe pro Kopf auch eher tief. Im Wallis ist es dafür genau umgekehrt. Der Grund dafür ist, dass Ausbildungsgelder grösstenteils kantonal geregelt werden. Aber nicht nur die Beträge sind föderal festgelegt.

Auch Qualifikationsvoraussetzungen werden kantonal geregelt. Allerdings nur bis Ende 2018, denn dann müssen die 19 Kantone, die bisher dem 2013 in Kraft getretenen Stipendienkonkordat beigetreten sind, gewisse Grundsätze ins kantonale Recht aufgenommen haben. Diese Grundsätze sind etwa: Gewährleistete Leistungsunabhängigkeit, höchstens ein Drittel des Ausbildungsbeitrags darf auf Tertiärstufe in Darlehen ausbezahlt werden, garantierte Sicherheit, einmal den Studiengang wechseln zu können, ohne das Stipendium zu verlieren, und ein festgelegter Mindestbetrag. Dank dem Konkordat können jetzt die Stipendienansprüche vom steuerbaren Einkommen entkoppelt werden. Der tatsächliche Bedarf wird dann mit einem Fehlbetragssystem ausgerichtet.

Wer hat Anrecht auf ein Stipendium?

Wie qualifiziert man sich also nach all dem für ein Stipendium? Nun, im Endeffekt ist auch dies immer noch von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Grob erklärt: Im Kanton Zürich sind die finanziellen Verhältnisse der Familie und der Person in Ausbildung massgebend. Dazu muss der Wohnsitz im Kanton Zürich liegen, die Antrag stellende Person muss eine staatlich anerkannte Ausbildung (Lehre, Kantonsschule) abgeschlossen haben und die Familie muss aus bescheidenen finanziellen Verhältnissen kommen. Beim Berechnungsmodell hierfür werden anerkannte Ausgaben mit anrechenbaren Einnahmen abgeglichen. Ein aussagekräftiges Urteil kann also nur individuell gefällt werden. Für Stipendien und Darlehen gelten dieselben Bemessungsgrundlagen. Wird ein Stipendienantrag jedoch abgelehnt, kann auch die Darlehens-Option nicht wahrgenommen werden.

Das Stipendiensystem Schweiz ist kompliziert und neben Bund und Kanton gibt es noch zahlreiche weitere Möglichkeiten wie Stiftungen, Gemeinden und Kirchen, die alle auch Ausbildungsbeiträge unter anderen Bedingungen zur Verfügung stellen. Die Bewerbung wird aber immer langwierig sein und viel Papierarbeit beinhalten. Wer eine schnelle Evaluation will, kann sich auf stipendium.ch ein Assessment einholen.

Das schwedische Modell

Die Studentendarlehen in Schweden haben in der Regel einen sehr tiefen Zinssatz, der vom Staat festgesetzt wird. Dieser nimmt auch keine Rücksicht auf den Erfolg oder Misserfolg des Studierenden. Wer nicht qualifiziert ist, kann sich bei zahlreichen Stiftungen und Vereinen bewerben ober bei einer Bank relativ problemlos ein Darlehen aufnehmen – allerdings zu einem höheren Zinssatz. Staatliche Stipendien werden durch das «Swedish National Board of Student Aid» ausgegeben und müssen nicht zurückbezahlt werden. Sie sind auf 2492 SEK, das sind umgerechnet CHF 276.15, pro Monat festgelegt. Falls notwendig können sie auch auf 4764 SEK erhöht werden – also fast verdoppelt. Während den Sommerferien werden die Zahlungen aber in der Regel ausgesetzt.

Quelle: Wikimedia

Ein schwedischer Student kann maximal 240 Wochen, also ungefähr viereinhalb Jahre, Stipendien beziehen. Diese sind nicht nur schwedischen Bürgern vorbehalten. Auch EU-Bürger, Immigranten oder Expats, die mindestens für zwei Jahre in Schweden beruflich tätig waren, können dieselben Stipendien beantragen. Aber auch für Auslandsstudenten sind schwedische Stipendien zugänglich. Es gibt zahlreiche Programme und Wettbewerbe für Auslandsstipendien in Schweden. Jede schwedische Universität hat eine Scholarship Webpage, auf der sie eigene Angebote veranschaulicht und zu anderen Organisationen verlinkt.

 

 

 

 

Fazit

Das föderale System der Schweiz erlaubt es, persönliche Unterstützung in Sachen Stipendien zu bieten. Der Applikationsprozess in Schweden ist dafür einfacher und die Beträge klar festgelegt. Die Summe ist nicht so hoch, dass man locker davon leben könnte. Aber ein gewisses Grundeinkommen ist erlaubt, bevor einem die Zahlungen gekürzt werden. In der Schweiz können je nach Wohnkanton die Beträge so hoch sein, dass man fast schon davon leben kann. Für grüne Becher in der WG scheint es aber nicht ganz zu reichen.

Dieser Beitrag ist als Erstpublikation auf brainstorm.vszhaw.ch erschienen.