Wer rastet, der rostet. Ganz nach diesem Motto hat sich Nora, ehemalige Studentin der ETH Zürich, für gleich zwei Auslandsemester während der Studienzeit entschieden. Im Bachelor absolvierte sie ein Austauschsemester in Hongkong, für ihre Masterarbeit zog es sie dann nach Boston. Ich wollte von Nora wissen, weshalb man sich entscheidet, gleich zwei Mal die Koffer zu packen und in die weite Welt hinaus zu ziehen.
Ein Aufenthalt im Ausland sollte vorgängig sorgfältig geplant und organisiert werden. Das Aufnahmeverfahren mit der Bewerbung beginnt oftmals einige Zeit im Voraus, deshalb sollte man idealerweise ein Jahr Vorbereitungszeit einplanen. Nora hat statt einem gleich zwei Auslandsemester angetreten. Sie erklärt mir: «Geplant war eigentlich nur ein Austauschsemester in Hong Kong, an der University of Science and Technology, zu machen. Ich hatte schon lange geplant, einen Teil meines Studiums im Ausland zu absolvieren. Ich verbrachte während dem Gymnasium bereits ein Jahr in Texas, deshalb war für mich klar, dass es dieses Mal in eine andere Richtung gehen sollte. Ich wollte eine neue Stadt mit neuen Leuten und einer neuen Kultur kennenlernen.» Schmunzelnd fügt sie hinzu: «Meine Motivation war also vor allem die Stadt selbst, die Schule und das Thema meines research projects waren dabei eher zweitrangig.»
Ganz anders verhielt es sich dann mit ihrem zweiten Auslandaufenthalt in Boston: «Die Idee, meine Masterarbeit am Massachusetts Institute of Technology zu machen kam mir erst viel später durch einen meiner Professoren in Zürich. Ich wusste, dass ich es bereuen würde, wenn ich nicht wenigstens versucht hätte, ein Semester an einer der berühmtesten Universitäten der Welt zu machen.» Die Gründe für die beiden Austauschsemester von Nora könnten kaum unterschiedlicher sein und dementsprechend unterschiedlich waren auch ihre Erfahrungen.
Das Auslandsemester als «empowering experience»
Auslandaufenthalte während des Studiums umfassen meistens ein Semester, welches man an einer Hochschule im Ausland absolviert. Als «bestes Studienjahr» für einen Austausch wird oftmals das zweite Studienjahr erwähnt, da einige ausländische Universitäten mindestens ein Bestehen des ersten Semesters voraussetzen. Auslanderfahrung wird heutzutage oft als Bereicherung für den eigenen Lebenslauf gesehen. Dabei vertiefst du nicht nur deine Fächer in einem anderen Land, sondern sammelst auch persönliche Erfahrungen. In den meisten Fällen ist man während eines Auslandsemesters zum ersten Mal für längere Zeit von zu Hause weg. Dies kann einem helfen, erwachsen zu werden und zu lernen, wie man auf eigenen Füssen steht.
Nora beschreibt das Austauschsemester als eine bestärkende Erfahrung. Als ich Nora deshalb frage, ob sie Studierenden ein Auslandsemester empfehlen würde, so muss sie nicht lange überlegen. «Ja absolut. Wenn man es macht, weil man wirklich etwas Neues sehen will und nicht weil es gut aussieht im Lebenslauf», meint Nora und ergänzt, «man lernt in einer kurzen Zeit sehr viel über ein anderes Land und eine neue Kultur. Mindestens genau so viel lernt man aber auch über sich selbst, da man im Ausland viel freier ist und somit einfach mal machen kann, worauf man gerade Lust hat.»
Kulturelle Unterschiede aber auch ein Gefühl von Heimat
«Für den Aufenthalt in Hong Kong fällt es mir echt schwer, nur ein Highlight zu nennen», fängt Nora nachdenklich an auf meine Frage zu antworten. Sie überlegt einen Moment und beginnt mir dann zu erzählen: «Ein Moment, den ich nie vergessen werde, war, als ich nach einem verlängerten Wochenende von Taiwan zurück nach Hong Kong kam. Mein erster Gedanke war: Es ist so schön, wieder zu Hause zu sein». Das war für mich ein wunderschönes Gefühl, als mir bewusst wurde, dass ich in dieser Stadt wirklich ein zweites Zuhause gefunden hatte.»
Auf der anderen Seite gibt Nora aber zu bedenken, dass es auch Zeiten geben wird, in denen man sich allein fühlt oder dass man manchmal das Gefühl hat, man würde zu Hause etwas verpassen. Ausserdem zu beachten seien beispielsweise die Doppelbelastung von Studium und Fremdsprache oder kulturelle Unterschiede, je nach Destination. In Bezug auf die kulturellen Unterschiede frage ich Nora, ob sie Schwierigkeiten hatte, sich in Hongkong anzupassen. Dazu meint sie: «Da ist zum einen die Sprache. In Hongkong sprechen eigentlich viele Englisch und man hat überhaupt kein Problem, sich auf Englisch zu verständigen. In meiner Forschungsgruppe waren jedoch alle Chinesen bis auf mich und noch jemanden. Daher wurde verständlicherweise viel Chinesisch gesprochen während den Meetings und ich fühlte mich häufig nicht wirklich als ein Teil der Gruppe.» Auf der anderen Seite beschreibt sie auch die von uns Europäern abweichende Arbeitseinstellung der Chinesen: «Meistens blieben sie bis spät in die Nacht sowie am Wochenende im Labor und arbeiteten. Für mich war es am Anfang schwierig, eine Balance zu finden zwischen wie sehr ich mich den anderen anpassen wollte und wie wichtig es mir war, trotzdem noch etwas Freizeit zu haben.»
Jede Uni hat grundsätzlich ein Büro, welches für Studierende gedacht ist, die sich für ein Austauschsemester interessieren. Zudem findet man bei den meisten Uniwebsites Erfahrungsberichte von Studierenden, die bereits ein Austauschsemester absolviert haben. Zum Schluss frage ich Nora, ob sie einen Tipp für all diejenigen von euch hat, welche ein Austauschsemester planen oder bald antreten. Dazu meint sie: «Mein grösster Tipp ist, dass man möglichst ohne Erwartungen ins Ausland gehen sollte. Es kommt sowieso anders, als man es sich vorstellt. Am besten ist es, offen und flexibel zu sein und das Beste aus den jeweiligen Umständen zu machen.»
Fotos: Die Fotos dieses Beitrags wurden von Nora zur Verfügung gestellt.