Tobias Schär
Tobias Schär

Der 26-jährige Wirtschaftsinformatik-Student Tobias Schär setzt sich für Chancengleichheit in der Bildung ein. Er setzt alte Computer neu auf und vermittelt diese an Menschen mit beschränkten finanziellen Mitteln. Im Interview spricht der junge Aargauer über sein Engagement, das Bildungssystem und seine soziale Ader.

Tobias, wie kam die Idee zu „Wir lernen weiter“ ?

Die Idee war sehr spontan. Als ich Ende März während des Lockdowns mit meinen Kollegen ein Online-Bier mit der „House Party“ App getrunken habe, wurde mir bewusst, dass nicht alle Leute diese Möglichkeiten und Ausrüstung dazu haben. Am gleichen Abend habe ich dann noch die Website aufgesetzt.

Die Schweiz hat ein sehr gut funktionierendes Bildungssystem. Ist die Chancengleichheit noch nicht längst erreicht?

Ich sehe vor allem bezüglich Lehrplan 21 ein grosses Problem, da dieser ja jungen Erwachsenen beibringen soll, Methodenkompetenzen zu erreichen. Schon ab der 5. Klasse sollen Medien und Informatik unterrichtet werden. In diesem Zusammenhang ist die IT-Ausrüstung natürlich die zentrale Dreh- und Angelscheibe. Wer diese nicht hat, muss mit massiven Zeitverlusten rechnen bei der Informationsbeschaffung. Man kann also noch nicht von Chancengleichheit sprechen.

Du selbst studierst Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Luzern. Wie wichtig sind Computerkenntnisse auf dem heutigen Arbeitsmarkt?

Es gibt natürlich schon Branchen, wie zum Beispiel die Schreinerei, wo das Handwerkliche noch zählt. Doch ein technisches Grundverständnis wird fast in allen Berufen vorausgesetzt. So muss auch ein Lagerist mit einem Scanning-Gerät umgehen können.

Wieviel Zeit nimmt Deine ehrenamtliche Arbeit in Anspruch?

Seit April habe ich rund 500 Stunden in das Projekt investiert, da gingen viele Abende und Wochen drauf. Deswegen konnte ich auch nicht gleich viel Zeit für die Prüfungsphase aufwenden, doch meine Noten sind immer noch in einem guten Bereich.

Nach welchen Kriterien wählst Du die Familien aus, denen Du die Computer vermittelst?

Erste Priorität haben bei mir junge Erwachsene, die noch in der Ausbildung sind und selbst keine IT-Ausrüstung haben. Dann gibt es aber auch Familien mit Kindern im Primarschulalter und in der Oberstufe, doch auch Menschen, die gerade auf Stellensuche sind und solche mit Migrationshintergrund werden berücksichtigt. 

Hast Du auch schon negative Erfahrungen damit gemacht?

Leider, ja. Einmal habe ich im Nachhinein erfahren, dass der Vater eines Kindes, das einen Laptop bekommen hat, einen sehr teuren Wagen fährt. Ein anderes Mal landete ein Gerät im Ausland, was natürlich nicht Sinn der Sache ist.

Du bist mit 26 noch sehr jung. Wann hast Du deine soziale Ader entdeckt?

Die habe ich im Militär entdeckt. Als ich den Durchdiener gemacht habe, habe ich gelernt, dass es nicht immer nur um mich geht. Aber bereits davor habe ich mich bei der freiwilligen Feuerwehr in meiner Gemeinde engagiert. 

Wie finanzierst du deinen Verein?

Eigentlich nur mit meiner Zeit. Wir bekommen von Privaten, manchmal aber auch Firmen Laptops geschenkt, die sie entweder per Post schicken oder vorbeibringen. In Zukunft möchte ich aber noch mehr mit Gemeinden zusammenarbeiten und Rahmenverträge für die Unkostenbeiträge erarbeiten.

Der Verein «wir lernen weiter»


Ein Projekt für alle, denen selbst aufgrund finanzieller Not der Anschluss in die digitale Welt verwehrt bleibt. Das Projekt finanziert sich aktuell einzig durch die investierte Zeit und Leidenschaft des Teams, sowie von Spendenbeiträgen. Wer spenden möchte, kann das hier tun.

Foto: Dalia Bohn