Die Botschaft des Begriffs Work-Life-Balance ist einfach: Arbeit und Freizeit müssen in einem harmonischen Verhältnis stehen. Dabei ist es nicht immer ganz leicht, sich vorstellen zu können, was den nun eine harmonische Beziehung zwischen Berufs- und Privatleben ist.
Wir sind vermutlich schon alle irgendwann mal mit dem Begriff der Work-Life-Balance konfrontiert worden. Während meines ersten Praktikums setzte ich mich zum ersten Mal intensiv damit auseinander. Mein damaliger Vorgesetzter riet uns während einer Teamsitzung, auf unsere Work-Life-Balance zu achten und es somit nicht mit den Überstunden zu übertreiben. Bei der Arbeit für eine Tageszeitung nicht immer ganz einfach. Wenn ein Artikel für den nächsten Tag geplant ist, dann muss dieser am Ende des Tages stehen. Egal wie lange dieser Tag dann schlussendlich dauert. Oder es kommt kurz vor Feierabend eine Nachricht in die Redaktion, die umgehend veröffentlicht werden muss. Eine Tageszeitung ist halt der Aktualität verpflichtet. Dies erschwert es den regelmässig stattfindenden Aktivitäten in der Freizeit nachzugehen, wie beispielsweise Trainings in einem Sportverein. Ist es als Medienschaffender einer Tageszeitung beispielsweise unmöglich, die Work-Life-Balance in Gleichgewicht zu halten?
Mit dem fast schon zum Modewort mutierten Begriff Work-Life-Balance wird oft darauf aufmerksam gemacht, nicht zu viele Überstunden zu machen und sich im Privatleben keinen Kopf zu machen über das Berufsleben. Arbeit und Freizeit werden dabei als zwei unterschiedliche Lebensbereiche gesehen, die gegenseitig mit sich ringen. Um die vorhin gestellte Frage zu beantworten, erscheint mir diese Standardsichtweise einer funktionierenden Work-Life-Balance als unzureichend. Es heisst, Berufs- und Privatleben müssen miteinander in Einklang stehen. So einfach und verständlich diese Erklärung ist, so schwierig ist es diese reale, harmonische Work-Life-Balance umzusetzen. Vielleicht weil wir diese zwei Hälften unserer Lebens nicht als wertvolles Zusammenspiel sehen?
Von den Köchen lernen
Die Gastronomie ist wegen ihrer ungewöhnlichen Arbeitszeiten eines jener Berufsfelder, bei welchem die Organisation des Arbeits- und Privatlebens mit zusätzlichen Schwierigkeiten versehen ist. Renommierte Köchinnen und Köche können uns dabei nicht nur einen guten Einblick in die Kunst der gehobenen Küche liefern, sondern auch in jene einer harmonischen Beziehung zwischen Berufs- und Privatleben. Die Doku-Reihe Chef’s Table präsentiert die besten Köchinnen und Köche der Welt und veranschaulicht den entscheidenden Einfluss der Persönlichkeit und des Privatlebens auf deren zauberhaften Kreationen. Einer der porträtierten Köche ist der Brasilianer Alex Atala. Was seine Küche ausmacht, ist sein Bezug zu den Zutaten. In seiner (Frei-)Zeit ausserhalb der Küche angelt, taucht und jagt er. Er erkundet den Amazonas nach neuen Zutaten, um mit seiner Küche die Identität Brasiliens wiederspiegeln zu können. Ohne sein Erkunden und seine Neugier ausserhalb der Küche, wäre er wohl nur ein halb so guter Koch. Sein Ziel ist nicht nur ein guter Küchenchef zu sein. Er ist bestrebt, den Amazonas zu schützen. Jedes einzelne Blatt, jeden Vogel, jeden Fisch und die Ureinwohner des Regenwaldes, wie er sagt. Seine Küche muss im Einklang mit seinen Überzeugungen stehen. Alex Atala verdeutlicht, dass die Trennung zwischen Berufs- und Privatleben nicht klar zu ziehen ist und das auch schade, vielleicht sogar schädlich, wäre.
Balance, eigentlich ein Kreislauf?
Gewiss, für manche Aspekte des Lebens ist es auch sinnvoll, Berufs- und Privatleben voneinander abzugrenzen. Denn so ist es einfacher, sich von der Arbeit zu lösen und man ist auch bei schwierigen Arbeitssituationen im Privatleben glücklich. Entscheidend für eine harmonische Work-Life-Balance sind jedoch gerade jene Kontaktpunkte, bei welchem sich das Berufs- und Privatleben miteinander vermischen. Ein Beispiel hierfür ist das Verhältnis mit seinen Arbeitskollegen und -Kolleginnen. Verständlicherweise hat ein guter Umgang und ein freundschaftliches Miteinander im Team, welches man jeden Tag bis zu acht Stunden sieht, einen hohen Wert. Dazu gehört das Feierabendbier oder Gespräche, die sich nicht um die Arbeitstätigkeit drehen. Gerade hier merkt man, dass sich das Überscheiden von Arbeit und Privatleben auch lohnen und sich positiv beeinflussen kann.
Auch bei Alex Atala sind die Neugier die Natur zu erforschen und das Bedürfnis den Amazonas zu schützen eng verbunden mit seinem Beruf als Koch. Er beschreibt den Sinn des Lebens als einen Kreislauf. Auch die Work-Life-Balance kann in gewisser Weise als ein Kreislauf angesehen werden, indem unser Beruf unser Privatleben beeinflusst und umgekehrt. Bei Alex Atala war es der Wunsch in Europa zu leben, der ihn zum Koch hat werden lassen, weil ihm dieser Beruf ein Visum brachte. Der Beruf als Koch auf der anderen Seite ermöglichte es ihm, als Sprachrohr für den Schutz des Amazonas zu agieren. Womit sich der Kreis schliesst.
Work-Study-Life-Balance
Bei einem Studium wird die Work-Life-Balance um die Komponente des Lernens erweitert. Dabei kann es einem schwer fallen, in seiner Freizeit die Gedanken vom Studium loszulösen. Irgendeine Prüfung, ein Vortrag oder eine Arbeit steht immer vor der Tür. Ein Nebenjob kann als gute Ablenkung vom Unistress gesehen werden. Während der Arbeit besteht nicht die Möglichkeit, irgendwas fürs Studium zu machen. Dementsprechend kann die Arbeitszeit als Pause vom Studium gesehen werden. Ein Nebenjob ist also nicht nur für die Kasse und den Lebenslauf gut. Nein, ein Studentenjob kann sogar die entscheidende Komponente für eine harmonische Study-Life-Balance sein.
Dabei werden Jobs geschätzt, welche einem flexible Arbeitszeitenermöglichen, damit einem die dreifache Belastung nicht irgendwann zu viel wird. Viele Arbeitgeber ermöglichen dies Studierenden. Um einen geeigneten Nebenjob zu finden, lohnt es sich auf Seiten wie students.ch oder der Marktplatz der UHZ alumni zu stöbern, die spezialisiert für die Suche von Studentenjobs sind. Auch wenn dabei kein Traumberuf als Nebenverdienst gefunden wird, ist es die Suche wert.
Jeder malt seinen eigenen Kreis
Eine allgemeine Antwort, wie der Kreislauf zwischen Berufs- und Privatleben aussehen soll, gibt es nicht. Bei jedem Menschen sieht diese anders aus. Jeder muss für sich selbst herausfinden, wo die richtige Balance liegt. So wie sich verschiedene Berufe voneinander unterscheiden, so unterscheiden sich auch die gewünschten Gestaltungen der freien Zeit. Wenn jemand gerne und oft reist, werden Überstunden eventuell anders betrachtet, weil sie gemacht werden, um für einen längeren Zeitraum der Arbeit fernbleiben zu können. Für eine andere Person ist es hingegen wichtig, dass sie konstant genügend Freizeit hat und strebt deswegen womöglich eine Teilzeitbeschäftigung an. Wiederrum andere nehmen eine verkürzte Freizeit ohne Probleme in Kauf, weil sie bestrebt sind ihre beruflichen Ziele zu erreichen. Somit ist nicht die Balance an sich das Ziel, sondern sich selbst gut genug zu kennen, um sich einen individuellen und befriedigenden Work-Life-Kreislauf zu kreieren.