Keine Vorlesungen vor zehn Uhr morgens, viel Freizeit und viel lesen: Das Studium der deutschen und englischen Sprach- und Literaturwissenschaft ist zwar nicht so streng wie andere Studiengänge, verlangt Studierenden aber eine gewissen Selbstdisziplin im Alltag ab.
Was sich nach dem stereotypischen Studierendenleben der Siebzigerjahre anhört, trifft auf das Studium an der philosophischen Fakultät der Universität Zürich vollkommen zu. Trotz Bologna-Reform hatte ich als Germanistik- und Anglistikstudentin sehr viele Freiheiten und genug Freizeit. Auch wenn Bürokratie, das Einhalten von Deadlines und Abgaben durchaus wichtig waren, kam nur selten grosser Druck auf. Im Gegensatz zu Kommilitonen und Kommilitoninnen, die Jura, Wirtschaft oder Medizin studierten, verbrachte ich selten einen ganzen Tag von morgens bis abends an der Uni oder in der Bibliothek.
Doch wer jetzt denkt, dass alle Phil-Einer (das sind diejenigen, die Geisteswissenschaften studieren) faul sind und nichts tun, liegt falsch. Statt zu pauken und auswendig zu lernen, ging es im Literaturstudium meistens um das Interpretieren, Verstehen und in Kontext setzen von Themen und Sachverhalten. Wer sich nicht für die Materie interessierte, war fehl am Platz. Auch wenn man seine Lektürehausaufgaben selten oder gar nie erledigte, musste man doch für die Prüfung verstanden haben, worum es im Seminar eigentlich ging.
Freitags immer frei
Die meisten universitären Veranstaltungen verbrachte ich in Seminaren und Kolloquien – Vorlesungen waren seltener der Fall. Jedes Semester hatte ich einen neuen Stundenplan, den ich mir mehr oder weniger frei zusammenstellen konnte. Die sogenannte Modulbuchung trieb mich immer wieder zur Verzweiflung – denn die Uniserver waren stets überlastet und so konnte man Stunden damit verschwenden, eine Veranstaltung zu buchen, die dann schon voll war. Womit ich und auch viele andere Erstsemestrige Mühe hatten, war die Zusammenstellung der Module. Wann sollte man was machen, welche Reihenfolge musste man beachten? Zum Glück half mir eine Freundin, welche bereits studierte, dabei.
Auch wenn einem die Universität alle Unterlagen zu Verfügung stellte, war dies zum damaligen Zeitpunkt doch recht komplex und etwas unübersichtlich gestaltet, da man sich seinen Weg durch die Studienordnung selbst bahnen musste. Doch trotz der anfänglichen Hürden schaffte ich es fast immer, mir den Freitag komplett freizuhalten. So konnte ich auch unter der Woche fleissig am Zürcher Nachtleben teilnehmen und am nächsten Morgen ausschlafen. Meine Module fanden meistens Anfang bis Mitte Woche statt, wobei ich dafür erst gegen Mittag an der Uni sein musste.
Stärkerer Druck nach der Orientierungsphase
Nach der Orientierungsphase, also den ersten zwei bis vier Semestern, stieg der Leistungsdruck jedoch. Während ich anfangs mühelos und ohne grossartigen Lernaufwand die Prüfungen bestand, war dies später nicht mehr der Fall. Bei der PO (Prüfung ohne Lehrveranstaltung), welche es sowohl in Germanistik, als auch Anglistik gab, mussten sich die Studierenden eine Literaturliste aneignen und die Werke im Selbststudium vorbereiten. Dies erforderte einen zeitintensiven Aufwand, viel Auswendiglernen und Repetition. Das Ganze dauerte zwei Semester, im Anschluss wurde man mündlich geprüft. Die PO war trotz des Stresses eine meiner liebsten Prüfungen, da ich das lernen konnte, was mich auch wirklich interessierte.
Mit Linguistik hatte ich jedoch in beiden Fächern grosse Mühe, da mich diese Disziplin mehr an Mathematik als an Sprachwissenschaft erinnerte. Doch zu meinem Vorteil gehörte ich noch zu der Generation UZH-Studis, die sich für „Schwerpunkt Literaturwissenschaft“ oder „Schwerpunkt Linguistik“ entscheiden konnte, von welchen ich mich für ersteres entschied.
Durch ein SEMP (Swiss European Mobility Programme) Auslandssemester an der Universität Wien verzögerte sich mein Bachelorstudium etwas, doch nach fünf Jahren hatte ich dann 2016 meinen Bachelor absolviert und schrieb mich danach für ein Masterprogramm am Birkbeck College in London ein.