«Berufsausbildung und Fachhochschulen sind etwas für Macher»

Weshalb sich junge Leute bei der Berufswahl Zeit lassen sollen und wie die Bildungslandschaft der Zukunft aussehen wird. Darüber sprechen wir im Interview mit Martin Ziltener, Abteilungsleiter Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung von «ask! – Beratungsdienste für Ausbildung und Beruf».

Was wird heute von Jungen in der Berufswelt erwartet?

Gefragt sind die gleichen Tugenden wie eh und je: Interesse an den Aufgaben und Tätigkeiten des Berufs, Interesse am Betrieb, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Resilienz … Fachwissen ist auch heute noch wichtig, das wandelnde Lexikon hat jedoch an Stellenwert verloren, es darf gegoogelt werden.

Kennen Sie spannende Karriere-Geschichten?

Ein Kollege von mir startete als Werkzeug-Mech und wurde Kriminal-Kommissär, ein anderer wählte den interessanten Weg vom Elektromonteur zum CEO eines Pflegehotels.

Was ist wichtig bei der Berufswahl?

Sich Zeit nehmen und die Vielfalt der Berufe erkunden. Zum Beispiel durch Einblicke bei  Schnuppernachmittagen, mit Interviews von Berufsleuten im Bekanntenkreis, mit der Teilnahme an einem Tag der offenen Tür oder an einer Berufsinfomesse. Dieses Vorgehen erweitert das Auswahlspektrum und hilft dabei, die eigenen Vorstellungen mit der Realität abzugleichen. Wichtig ist auch, seinen Gefühlen zu vertrauen und auf die innere Stimme zu hören.

Wie finden Sie heraus, welcher Beruf oder welches Studium zu einer jungen Person passt?

Wir unterstützen unsere Kundinnen und Kunden dabei, das selbst herauszufinden; sei es im Gespräch, mit Arbeitsmitteln, Informationen oder Einsatz von diagnostischen Instrumenten. Die Kundinnen und Kunden sind die Experten für ihre Situation, unsere Rolle ist es zu informieren, zu beraten und zu begleiten.

Was sind Ihre persönlichen Erwartungen an die Teilnehmenden vom Gespräch?

Dass sie pünktlich zum Gespräch kommen. Im Idealfall haben sie sich vorbereitet, doch das ist keine Voraussetzung.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am besten? Was weniger?

Gemeinsam mit Menschen ein Stück Weg zu gehen, sie motivieren und unterstützen an einer guten Lösung für ihre Laufbahn zu arbeiten, ist eine grossartige Aufgabe. Die dynamische Verbindung von Bildung, individuellen Ressourcen und Anforderungen der Ausbildungs- und Arbeitswelt ist auch nach vielen Jahren im Beruf sehr spannend.

Andererseits: Es gibt immer noch zu viele Berufs-, Studien- und Laufbahnberater, die die effektiven Bedürfnisse und Wünsche der Kunden zu wenig im Fokus haben; nicht jede/r braucht eine lange Beratung und nicht jede/r hat ein Problem, das er nur mit fremder Hilfe bewältigen kann.

Welche Tipps geben Sie jungen angehenden Studierenden?

In etwa dieselben, wie bei den Jugendlichen, die sich für eine Lehre entscheiden müssen: Sich Zeit nehmen, um die Vielfalt der Studienrichtungen zu erkunden durch Einblicke an Messen, vor Ort, Gespräche mit Studierenden, Anbietern sowie seinen Gefühlen zu vertrauen und auf seine innere Stimme zu hören.

Lehre oder Studium? Und wieso?

Oder Lehre und Studium? Abhängig von den individuellen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen eignet sich der eine oder andere Weg. Nicht vergessen werden dürfen die Ausbildungen im Bereich Tertiär B (Fachausweise, höhere Fachprüfungen, höhere Fachschulen usw.). In der Regel gelingt vor allem schulmüden Jugendlichen mit Talent und praktischer Begabung der Einstieg über eine Berufslehre besser.

Die Berufsausbildung und die Fachhochschulen sind etwas für Macher, bei denen eins und eins zwei gibt. Das universitäre Studium ist für Personen, die Spass an wissenschaftlichem Denken haben und auf die Frage «Was gibt eins und eins?» antworten würden «Definiere eins!».

Wie sieht die Bildungslandschaft der Zukunft aus (Stichwort Digitalisierung)?

Hoffentlich dynamisch, mit weniger formellen Abschlüssen, noch durchlässiger und mit einem guten Mix aus Interessen der Wirtschaft und des Individuums. Die Digitalisierung wird uns vor allem dahingehend herausfordern, dass sie den Rhythmus des Change erhöht, mehr Unsicherheiten schafft, Stichwort VUCA-Welt. Die individuelle Laufbahngestaltungskompetenz gewinnt an Bedeutung.

ask! – Beratungsdienste für Ausbildung und Beruf


«ask! – Beratungsdienste für Ausbildung und Beruf» ist ein Kompetenz- und Servicezentrum. ask! informiert, berät, unterstützt und begleitet Menschen von 14 bis 65 Jahren sowie Organisationen bei Fragen zu Bildung, Beruf, Arbeit und psychischer Gesundheit. Die Beratungsdienste führen im Auftrag des Kantons Aargau die Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (BIZ) für Jugendliche und Erwachsene. Dieses Angebot ist an allen vier Standorten erhältlich (Aarau, Baden, Wohlen, Rheinfelden).

Wir danken Martin Ziltener herzlich für das Beantworten der Interview Fragen!