Unsere Autorin Janine machte die Matura nicht auf dem konventionellen Schulweg. Trotzdem hält sie heute ihr Berufsmaturitätszeugnis in der Hand. Wie das möglich ist, verrät sie im Beitrag.
Sommer 2016. Nie wieder Schule. Eigentlich ein Grund zur Freude, aber nach den üblichen Glückwünschen und Feiern für das bestandene efz bleibt die Frage: Was jetzt?
Ich hatte während der Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung keine Arbeitsstelle gesucht, denn für mich stand fest: Auf diesem erlernten Beruf möchte ich nicht bleiben. Nach einigem Hin und Her erschien mir die Berufsmaturität als geeigneter Bildungsgang zur Überbrückung. Aber auch, weil sie mir die Türen zu Fachhochschulen öffnet – falls ich irgendwann konkreter mit dem Gedanken spielen würde, zu studieren.
Allerdings war für mich aus persönlichen Gründen klar, dass ich die Matura nicht auf dem konventionellen Weg machen will. Daher habe ich mich für ein Selbststudium entschieden und nicht für einen «regulären» Lehrgang an einer Berufsmaturitätsschule. Die Unterlagen für die Aufnahmeprüfung zur eidgenössischen Prüfung bezog ich vom
Akad College, einem Institut, welches diverse Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten als auch Ausrichtungen der Berufsmatura anbietet.
Ich wählte die kaufmännische Ausrichtung: Deutsch, Französisch, Geschichte Betriebs- & Volkswirtschaft, Recht, Mathematik sowie Rechnungswesen. Dazu kamen die beiden Ergänzungsfächer Chemie und Sozialwissenschaften, wobei letzteres die Unterfächer Psychologie und Soziologie beinhaltete. Da ich bereits das First Certificate hatte, wurde ich vom Englischunterricht dispensiert.
Die Berufsmatura über den Weg mit der
Akad ist berufsbegleitend für einen Zeitraum von zwei Jahren konzipiert. Ich habe den Berufsmaturitätsunterricht im Selbsstudium aber Vollzeit in Angriff genommen. Allerdings startete ich den Lehrgang erst im Herbst, also nach dem normalen Schulbeginn von Berufsmaturitätsschulen im Sommer, und so absolvierte ich die Prüfungen innert anderthalb Jahren in zwei Tranchen. Im Sommer 2017 schloss ich die Fächer, welche mir nach eigener Einschätzung einfacher fallen, ab: Deutsch, Französisch sowie Volks- und Betriebswirtschaft. Die restlichen Prüfungen – Mathematik, Rechnungswesen, Chemie, Sozialwissenschaften und Geschichte – schrieb ich im Sommer 2018.
Unterstützung von Youtube
Die Schulbücher vom
Akad College empfand ich grundsätzlich als gut und ansprechend – bis auf die Mathematik. Dort musste ich mir zusätzliche Hilfe organisieren, da jenes Fach meine absolute Schwachstelle ist. Nach einigem Recherchieren im Netz habe ich online bei einen Verlag Unterlagen kaufen können, welche mich zusammen mit einigen Nachhilfestunden bestens auf die Prüfung vorbereiteten. In anderen Fächern des Berufsmaturitätsunterrichts fand ich Unterstützung bei Youtube – unglaublich, aber wahr: Die Tutorials / Lernvideos empfand ich teilweise sogar aufschlussreicher als die Schulbücher! Besonders im Fach Chemie war ich dankbar, die beiden Kanäle
musstewissen Chemie und
TheSimpleChemics gefunden zu haben. Auch für Geschichte profitierte ich vom Wissen des Journalisten Mirko Dortschmann alias
MrWissen2go. Eine weitere Plattform, welche ich rege nutzte, war
Quizlet. Dort kann man sich Karteikarten erstellen und so den Lernstoff prüfen.
Wenn immer ich jemandem erzählte, ich mache die Berufsmatura im Selbststudium, erntete ich verwunderte Blicke: «
Matura im Selbststudium? Wie geht das? Also so selbstdiszipliniert wäre ich nicht…». Während die einen meine Selbstdisziplin bewunderten, trauten mir andere gar nicht und stellten sich vor, dass ich den gesamten Tag auf dem Sofa hocke und TV schaue. Oder YouTube – wobei letzteres ja auch zutrifft, nur nicht im angenommenen Sinne.
Nachdem ich nun die Bestätigung für mein Bestehen erhalten habe, schaue ich auf eine lehrreiche Zeit zurück – und jede Menge Schulbücher, die verstaut werden müssen! Was ich jedoch nicht wegpacke, sind die Erfahrungen, die ich mitgenommen habe.
Flexibler Stundenplan
Die BM im Selbststudium ist sicherlich kostspielig und erfordert Selbstdisziplin. Wer jedoch bereit ist,
vollen Einsatz zu geben, kann von diesem Bildungsgang nur profitieren: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass der Stoff, welchen ich mir selbst erklärte, besser hängenblieb und das Recherchieren bezüglich unklaren Informationen auch erstaunlicherweise mehr Spass machte, als einfach jemandem nur zu zuhören und mitzuschreiben. Ich schätzte auch, dass ich mir meine Tage selbst einteilen konnte; so war es mir möglich, bis halb acht auszuschlafen, Pausen dann einzulegen, wann ich sie brauchte oder bei schönem Wetter einen Spaziergang am Nachmittag einzubauen. Ich konnte meine Bücher auf dem Balkon in der Sonne liegend lesen oder einen Tag „frei nehmen“, um shoppen zu gehen – dafür lernte ich einfach am nächsten Tag mehr. Was ich auch praktisch fand: Den Stoff, den ich bereits kannte, konnte ich überspringen konnte und musste ihn nicht nochmals durcharbeiten.
Die Schattenseiten
Es gibt jedoch auch negative Aspekte zur BM im Selbststudium. Allen voran: Man hat keinen Vergleich! Ich fühlte mich immer wie ein Astronaut, der haltlos im Raum schwebte. Ich hatte keinen Anhaltspunkt, keine Simulationsprüfungen, keinen Lehrer, der rät, worauf die Experten bei den Prüfungen achten und keine Kandidatinnen und Kandidaten, deren Leistungen ich mit meinen eigenen vergleichen konnte. Die Hilfe von den offiziellen Stellen, wie beispielsweise dem sbfi, war oftmals auch relativ rar und ich wartete manchmal sehr lange auf Antworten. Allerdings muss ich hier anfügen, dass sich die Zuständigen im Sekretariat der Uni Bern sehr kooperativ und grosszügig zeigten, als es um eine persönliche Bitte ging.
Für mich als Perfektionistin war es auch schwer, die Schulbücher wegzulegen. Da ich – wie eben erwähnt – keine Vergleiche zu anderen Kandidatinnen und Kandidaten hatte, fühlte ich stets den Drang, zu lernen. Ich wusste nie, ob ich schon
so alles beherrschte, wie ich es sollte. Das führte auch zu verlernten Samstagen und Sonntagen. Abschalten? Nein, dafür setzte ich mich zu sehr unter Druck. Selbst in den Ferien waren die Schulbücher meine Begleiter.
Wie schon erwähnt, hatte ich öfters Kontakt mit der Uni Bern. Da ich durch das Selbststudium die Eidgenössische anstelle der Kantonalen Berufsmaturität machte, orientierte sich der zu lernende Stoff an deren Lehrplan und für die Prüfungen pendelte ich nach Bern. Dieser Weg ist definitiv zu beachten, wenn man mit dem Gedanken spielt, auf dieselbe Art wie ich die Berufsmaturität zu erlangen.
Fazit: Die BM im Selbststudium ist nicht
das Non-Plus-Ultra. Jeder muss für sich selbst einschätzen, ob sie / er genügend Selbstdisziplin und Durchhaltewille hat. Für mich jedoch war es das Richtige und ich würde den Weg wieder so gehen.