Mit der Corona-Science-App erfassen Menschen in der Schweiz Daten zu ihrer Gesundheit und ihrer Situation und stellen sie anonymisiert der Open-Data-Community zur Verfügung. Entwickelt wurde die App von einem interdisziplinären Team der Berner Fachhochschule – in Rekordzeit.
«Wir haben uns am Anfang der Krise überlegt, welchen Beitrag wir im Kampf gegen Covid-19 leisten können», erklärt Serge Bignens, Leiter des Instituts für Medizininformatik an der Berner Fachhochschule. «Da wir keine Epidemiologen, Virologen oder Infektiologen sind, dachten wir erst, dass wir nichts tun können», erinnert er sich. Dann aber kam sein Team zum Schluss, dass es wertvoll sein könnte, eine App bereitzustellen. Eine App, die es während der Coronakrise kranken und gesunden Menschen ermöglicht, Daten zu ihrer Gesundheit und ihrer Situation zu erfassen und anonymisiert der Open-Data-Community zur Verfügung zu stellen. Also allen, die sich dafür interessieren, etwa Wissenschaftlerinnen oder Entscheidungsträgern aus der Politik.
Daten – aggregiert und anonymisiert
«Die letzten Wochen haben gezeigt, wie wichtig Daten sind, um die Pandemie zu verstehen», sagt der Medizininformatiker Serge Bignens. Zu Beginn der Coronakrise habe der Bundesrat Menschen mit leichten Krankheitssymptomen aufgefordert, zuhause zu bleiben. Diese Massnahme schützte das Gesundheitswesen vor Überlastung, sorgte aber gleichzeitig dafür, dass die Anzahl der tatsächlich erkrankten Personen unbekannt blieb. Andere Daten, zum Beispiel zum mentalen Wohlbefinden der Bevölkerung, wurden ebenfalls nicht erhoben. «Nur wenn wir diese Daten ab sofort erfassen, können der Pandemieverlauf und die Entwicklung der Situation präzise verfolgt werden», erklärt Serge Bignens. Die Corona-Science-App setze genau hier an und begleite die Exitstrategie der Behörden auf sinnvolle Art und Weise.
Partnerin des Corona-Science-Projekts ist die MIDATA-Genossenschaft. Die Daten der App-Nutzerinnen und Nutzer werden in einem persönlichen Datenkonto auf der MIDATA-Plattform gespeichert und danach mit ihrer Einwilligung in anonymisierter und aggregierter Form in Open Data zur Verfügung gestellt. «Die Daten-Governance von MIDATA wurde von kantonalen und nationalen Datenschützern im Detail angeschaut», betont Serge Bignens.
In Rekordzeit
Das interdisziplinäre Kernteam aus zehn Mitarbeitenden der Departemente Technik und Informatik, Gesundheit und Soziale Arbeit der BFH sowie 15 weitere Unterstützerinnen und Unterstützer machten die Corona-Science-App innerhalb kurzer Zeit möglich. «Wir haben am Montag, 23. März 2020 einen Projektantrag eingereicht», erzählt Serge Bignens. So erhielt das Team in kürzester Zeit grünes Licht und legte mit der Arbeit los – rund um die Uhr, ausschliesslich im Homeoffice.
Nur 24 Tage später war die App fertiggestellt und stand zum Download bereit. Seither gibt das Team Interviews in allen Landessprachen und steht mit der Taskforce des Bundesamts für Gesundheit in Kontakt. «Das Ziel sind 50’000 Nutzerinnen und Nutzer, aktuell stehen wir bei 4000 mit täglichem Wachstum», erklärt Serge Bignens. Es gehe dem Team aber nicht um kommerzielle Ziele, betont er. «Vielmehr geht es uns darum, beim Bewältigen der Pandemie einen signifikanten Unterschied zu machen.»
Erfahrungen aus früheren Projekten
«Es ist grossartig, dass die BFH mit dieser App eine direkte Krisenintervention vornehmen kann», findet auch Corina Caduff, Vizerektorin Forschung der BFH. Für die Reputation der BFH sei dies enorm wertvoll. Hinter dem Projekt stünde letztlich viel Know-how aus der interdisziplinär angewandten Forschung, das über längere Zeit aufgebaut und jetzt schnell abgerufen werden konnte.
Serge Bignens bestätigt: «Ein wichtiger Grundstein bei der Umsetzung der Corona-Science-App waren verschiedene Erfahrungen aus früheren Projekten.» Eine besondere Erfolgsgeschichte war etwa das Projekt «AllyScience», bei dem es um das Sammeln von Daten zum Thema Pollenallergie ging. «An Erfolge wie diesen wollen wir mit Corona-Science anknüpfen», betont er.
Mehr Informationen zur Corona-App erhalten Sie HIER.
Medizininformatik studieren
Das Medizininformatik-Studium fokussiert auf den Menschen im Spannungsfeld von Medizin und Informatik. Dabei soll der Einsatz von Technik und Informatik insbesondere der Unterstützung und
dem Wohlergehen der Menschen dienen.
Foto: unsplash