12 Wochen Ferien pro Jahr, die Wochenenden immer frei, 27 Unterrichtslektionen pro Woche. Das Lehrersein klingt ziemlich angenehm. Doch ist es wirklich so «chillig», wie sich das alles anhört? Wir haben nachgeforscht und bei Studierenden, Berufseinsteigern sowie erfahrenen Lehrpersonen nachgefragt.
Haben wir nicht alle schon den einen oder anderen Witz über den Lehrerberuf gerissen? Man kann aber auch neidisch werden auf die Pädagogen und ihre vielen Ferienwochen, ihren guten Lohn und ihre tollen Arbeitszeiten (man schaue sich nur mal so einen Schul-Stundenplan an):
Aber: Stimmt das denn überhaupt? Wir von eduwo haben nachgeforscht und auch bei Leuten mit Lehrererfahrung nachgefragt. Es stellt sich heraus: Lehrersein ist gar nicht so sehr «Schoggileben», wie das viele von uns annehmen.
Studien zeigen das Gegenteil der gängigen Vorurteile auf
Eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz zeigte im Jahr 2014 erstmals auf, dass jeder dritte Volksschullehrer im Land Burnout-gefährdet ist. Alleine auf der Oberstufe sind das mehr als 10’000 Lehrer. Fast 20 Prozent der Befragten gaben in der Informationserhebung an, sich im Arbeitsalltag «ständig überfordert» zu fühlen und/oder mindestens einmal wöchentlich unter depressiven Verstimmungen zu leiden.
Nach elf Jahren verdienen Primarlehrer/innen schweizweit durchschnittlich 7’800.- Schweizer Franken pro Monat, Sekundarlehrer/innen 9’700.- und Gymnasiallehrer/innen 11’300.-. Quelle: Watson
Wir Schweizer sind damit nicht alleine. Auch in US-amerikanischen und britischen Studien wurde der Lehrerjob bereits als einer der Berufe mit dem höchsten Depressionsrisiko identifiziert. Die Gründe dafür scheinen in den verschiedenen Ländern ähnlich zu sein: Der Drang zum Perfektionismus gepaart mit dem Gefühl, für das Leben aller Individuen einer oder gar mehrerer Schulklassen verantwortlich zu sein. Dazu kommt der kombinierte Leistungsdruck der Schüler, Eltern und der Schulen selbst, die verschiedene – teilweise entgegengesetzte – Ansprüche an die Lehrperson stellen.
Erfahrungsberichte
Das sagen die Studien. Und wie sieht’s mit der Realität aus? Wir haben uns mit Lehrpersonen auf allen Bildungs- und Erfahrungsstufen ausgetauscht. Was meinen sie zu den gängigen Klischees über ihren Beruf?
Marta, seit bald zwei Jahren Primarlehrerin:
Der Arbeitstag eines Lehrers dauert länger als die Mehrheit glaubt. Es ist nicht so, dass wir um 8 Uhr morgens kommen und um 15 Uhr wieder nach Hause gehen. Ich bin meistens von 7:30 Uhr in der Früh bis abends um 19 Uhr an der Schule. Es kann aber auch gut mal 21 Uhr werden. Sei es nun eine Sitzung, ein Elterngespräch oder sonst etwas: Es gibt fast immer etwas, das einen bis spät an der Schule hält.
Das mit den Ferien ist sehr unterschiedlich. Ich habe tatsächlich recht viele Ferien. Dafür arbeite ich im Durchschnitt aber täglich zwei Stunden länger als der Durchschnittsangestellte. Auf eine 42.5-Stundenwoche kommt ein Primarlehrer aufs ganze Jahr gesehen locker, auch wenn er seine 12 Wochen Ferien macht.
Irene, angehende Sekundarlehrerin:
Die Arbeit kann schon «chillig» sein, wenn man eine Klasse hat, die gut mitarbeitet. Doch in der Pubertät sind die Jugendlichen oft auch in einer Selbstfindungsphase und die Schule steht nicht immer an erster Stelle. Gerade wenn es gegen Ende der Sekundarschulzeit zugeht, kann es dann schon anstrengend werden. Lehrersein ist ein Vollzeitjob, man geht nicht um 18:00 Uhr nach Hause und kann vollkommen abschalten – gerade wenn man von Problemen der Schüler weiss. Man ist ja auch Vertrauensperson der Schüler. Das lässt einen dann nicht einfach kalt.
Daniel, erfahrener Primarlehrer:
In den letzten Jahren verteilt sich meine Arbeitszeit auf immer mehr Bereiche: Unterrichten sowie die Vor- und Nachbereitung ist EIN Teil davon. Auf gute Elternarbeit, Teamarbeit, Schulentwicklung und vor allem auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wird heute aber auch viel Wert gelegt. Dies ist gut so, aber auch sehr herausfordernd und komplex. Ein Lehrer muss heute ein Allrounder sein, der sowohl die Fähigkeiten des geduldigen Pädagogen und des geschickten Kommunikationsexperten als auch des fortschrittlichen Schulentwicklers mitbringt.
Julian, angehender Gymnasiallehrer:
Ich selbst hatte nie die Vorurteile der vielen Ferien und des Schoggilebens der Kantonsschullehrer. Ich bin selbst Lehrerkind, mein Vater war ebenfalls Gymnasiallehrer. Seit ich denken kann, arbeitete er bis elf Uhr abends, an den Wochenenden, in den Ferien etc. Es hörte nie auf.
Und auch von meiner eigenen bisherigen Erfahrung als Gymnasiallehrer muss ich sagen: Lehrersein ist ein absoluter 200 %-Job. Nach acht Stunden an der Schule hat man nicht Feierabend. Denn dann erst fängt die Vorbereitungszeit an. Ich brauche oft zehn Stunden für eine einzige Lektion – einfach weil ich den Schülern einen guten Unterricht bieten möchte.
Man kann nie loslassen, weil man immer am Vorbereiten, sich Weiterbilden oder am Überlegen ist, was man noch in den Unterricht einbringen könnte. Das ist wirklich sehr anstrengend. Deshalb musste auch ich bereits merken: Als Lehrer muss man einen Kompromiss finden zwischen dem, was man machen müsste (nach pädagogischen Lehrbüchern), und dem, was man machen kann. Das hält man sonst nicht aus.
Tanja, erfahrene Primarlehrerin:
Lehrpersonen leisten einen grossen Effort, um den Wandel im Schulsystem zu „leben“. Sie investieren dafür viel Zeit – auch in den „Ferien“. Lehrersein empfinde ich als grosse Herausforderung, nur schon durch die hohe, ständige Präsenz, die das Führen einer Klasse mit sich bringt. Ein Schoggijob? Nein, bestimmt nicht. Ein wunderschöner Beruf? Ja, definitiv!
Na? Klingt der Lehrerjob noch immer wie ein Traumberuf für dich? Falls ja, kannst du bei eduwo mehr über deine Optionen erfahren.