Foto: zvg

Vom Chemikant-Lehrling zum CEO von Implenia: André Wyss ist seit 2018 Chef des grössten Baukonzerns der Schweiz. Im Interview erzählt er uns von seinem Führungsstil, seinem spannenden Bildungsweg und von den Werten, die er von seinen Mitarbeitenden erwartet.

Welche Herausforderungen bringt Ihre Position als CEO mit sich?

Als CEO habe ich mit sehr vielen und sehr unterschiedlichen internen sowie auch externen Stakeholdern zu tun: Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre, Verwaltungsrat, Konkurrenten, Medien, usw. Oft haben diese Stakeholder stark divergierende Interessen und als CEO muss ich dafür Lösungen finden.

Auf welche Werte und Eigenschaften achten Sie bei Ihren Mitarbeitern?

Integrität ist zentral, Vereinbarungen sowie ethische Standards müssen zwingend eingehalten werden. Weiter brauchen wir Teamplayer, bei denen das Wohl des Unternehmens klar über dem eigenen Ego steht. Leidenschaft und Interesse für die Arbeit sind ebenfalls wichtig, um exzellente Resultate zu erzielen. Sowie Agilität und Innovationsbereitschaft, um immer wieder neue Herausforderungen meistern zu können. Nachhaltigkeit in der Art und Weise, wie jemand seine Aufgaben erledigt, ist ebenfalls von grosser Bedeutung für mich.

Was machen Sie nach einem stressigen Arbeitstag?

Ich versuche dann möglichst gut abzuschalten und auf andere Gedanken zu kommen. Am besten geht das mit meiner Familie, beim Sport oder auch an kulturellen Veranstaltungen. Wenn ich etwas mehr Zeit habe, helfen mir Reisen sehr gut dabei, mich zu regenerieren.

Wie sieht Ihr Bildungsweg aus?

Bis Frühjahr 2018 war ich über 30 Jahre lang in unterschiedlichen Funktionen und auf allen Kontinenten für den Pharmakonzern Novartis tätig. Zuletzt leitete ich als President Novartis Operations die gesamte Produktion, die zentralen Konzerndienste wie Immobilien und Facility Management, IT, Einkauf, Personal- und Rechnungswesen sowie Corporate Affairs, mit Verantwortung für fast 40‘000 Mitarbeitende weltweit. Parallel dazu war ich Länderpräsident von Novartis Schweiz. Meine Karriere begonnen habe ich – ebenfalls bei Novartis (damals Sandoz) – mit einer Lehre als Chemikant. 1995 schloss ich dann mein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule (HWV) ab.

Welche Ziele möchten Sie mit Ihrem Unternehmen noch erreichen?

Entsprechend unserer Vision will ich Implenia zusammen mit meinem Team zu einem multinational führenden Baudienstleister machen. In den Bereichen Innovation sowie Nachhaltigkeit im Bau wollen wir führend sein.

Wie kritikfähig muss ein CEO sein?

Es ist ganz wichtig, dass ein CEO mit Kritik umgehen kann und lernwillig ist. Wenn man sich verbessern will, muss man wissen, wer man ist und was andere von einem denken. Man muss allerdings Kritik filtern können und sich eine dicke Haut zulegen, falls Kritik unfair wird.

Haben Sie ein persönliches Vorbild?

Nein, ich habe und hatte nie ein eigentliches Vorbild. Aber es gibt viele, ganz unterschiedliche Menschen, die ich dafür bewundere, was sie in ihrem Bereich erreicht haben und die mich damit auch inspirieren.

Werden junge Menschen genügend auf die Berufswelt vorbereitet?

Ja, das Schweizer Schulsystem gehört zu den besten der Welt, insbesondere unser duales System der Berufslehre. Darauf dürfen wir sehr stolz sein. Allerdings sollten wir uns trotzdem immer mit den Besten der Welt messen. Für viele Berufsbilder sind die MINT*-Fächer entscheidend und wir müssen sicherstellen, dass wir hier stufengerecht die geforderten Kompetenzen unterrichten.

*MINT: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik

Welche Ausbildung würde Sie momentan interessieren?

Das sind Themen im Bereich Leadership, Digitalisierung und Innovation, aber auch weltpolitische Themen, vor allem im Zusammenhang mit sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit. Es ist wichtig, sich bezüglich der aktuellen Themen kontinuierlich weiterzubilden.

Haben Sie ein Erfolgsrezept für junge Menschen, die eine CEO-Position anstreben?

Eigentlich kann man CEO gar nicht werden wollen, denn es ist kaum planbar. Junge Menschen sollten ihren Interessen nachgehen. Und das tun was sie gut und gerne machen, was sie antreibt. Ein CEO muss einen sehr breiten Erfahrungshorizont mitbringen. Dafür sind karrieremässig oft auch Rückschritte nötig: Ich habe mit 21 Jahren einen Produktionsbereich mit 100 Mitarbeitern geleitet und bin dann, mit grosser Lohneinbusse, als Mitarbeiter ohne Führungsfunktion in die Kreditorenbuchhaltung gegangen. Durch diesen Rückschritt konnte ich mir aber das für spätere Positionen unabdingbare Finanzwissen aneignen. Man sollte sein eigenes Ego zurücknehmen: Es braucht nicht unbedingt einen Karriereplan. Intrinsische Motivation, Spass an der Arbeit und eine gesunde Neugierde sind viel wichtiger. Als Chemikanten-Lehrling hätte ich nie daran gedacht, Leiter des Amerikageschäfts von Novartis oder gar CEO eines Baukonzerns zu werden. Aber für mich war und ist die aktuelle Position noch immer der spannendste Job, den ich je hatte!

Wie ist Ihr persönlicher Führungsstil?

Mein Führungsstil ist grundsätzlich zielstrebig, kollaborativ im Team, direkt und fordernd. Dabei wende ich unterschiedliche Stile an, je nach Situation und Zielgruppe. Als CEO muss ich meine Mitarbeitenden befähigen können. Ich brauche starke, diverse Individuen und Top-Experten, die in hochmotivierten Teams in die gleiche Richtung ziehen. Wichtig ist dabei eine Kultur, welche die besten Leute anzieht und auch hält.



Implenia steht für nachhaltige Immobilien und versucht stets, nebst wirtschaftlichem Erfolg die sozialen und ökologischen Komponenten mit einzubeziehen. Mit diesem Vorgehen hat sich Implenia mit über 150-jähriger Bautradition zum führenden Unternehmen für Bau und Baudienstleistungen entwickelt. Seit 2018 ist André Wyss CEO von Implenia. Davor war er mehr als 30 Jahre für den Pharmakonzern Novartis tätig – und verantwortlich für 40’000 Mitarbeitende.

Wir danken André Wyss für das Interview.