Jungpolitiker Andri Silberschmidt: «Ich konnte nicht fünf Tage die Woche die Schulbank drücken.»

Interview

  1. Andri Silberschmidt, weshalb sind Sie in der Politik?
    Vor 7 Jahren habe ich als Lehrling eine 1. Augustrede gehalten. Ich habe viel Gefallen daran gefunden, mir Gedanken über die Zukunft der Schweiz zu machen. Meine persönliche Motivation ist, dass ich in diesem Land etwas verändern kann! Wenn möglich, mit vielen Menschen, die ähnlich denken, die auch etwas bewegen möchten.
  2. Wie stellen Sie sich die „perfekte“ Schweiz in den nächsten fünf / zehn / fünfzehn Jahren vor?
    Mir geht es nicht um ein bestimmtes Datum. Zentral ist, dass man den Leuten, welche etwas bewegen wollen, keine Steine in den Weg legt! Wenn man etwas starten will, gibt es eine Papierflut sowie verschiedene Stellen, die einen bremsen können.
    Es geht mir insbesondere darum, dass initiativfreudige Menschen einen Platz in der Schweiz finden, und ihre Ideen – sei es in der Gesellschaft, Wirtschaft oder Politik – voranbringen können.
  3. Wie haben sie vor, auf die Digitalisierung zu reagieren? Konkrete Schritte?
    Die JFS hat bereits ein Positionspapier verabschiedet zur Digitalisierung. Wichtig ist uns: Man muss nicht einzelne Technologien regulieren. Es sollen Regeln gefunden werden, in denen alle Technologien vertreten sind. Wenn man für einzelne Unternehmen wie Uber oder Booking.com neue Gesetze erlässt, wird der bürokratische Aufwand zu gross.
    Mir ist auch wichtig, dass man mehr Anreize für die Erwachsenenbildung schafft. Die junge Generation hat (fast) kein Problem mit der digitalen Entwicklung, aber unsere Eltern und Grosseltern könnten etwas „Nachhilfe“ vertragen.
  4. Was ist Ihr persönliches politisches Ziel für die Zukunft?
    Die Abstimmung über das Geldspielgesetz im Juni gewinnen. (JFS und FDP sind dagegen und haben das Referendum lanciert). Politik kann man aber grundsätzlich nicht planen. Ich strebe im Moment kein weiteres Mandat an – momentan freue ich mich sehr auf die neue Tätigkeit als Gemeinderat der Stadt Zürich. Mir ist es wichtig, diese Aufgabe gut zu erfüllen, statt bereits neue Ziele anzustreben.
  5. Wie haben Sie vor, mehr Wähler zur Urne zu bringen, insbesondere die Jungen? Was halten Sie vom Wahlrecht ab 16?
    Ich bin persönlich viel an (Schul-)Podien unterwegs. Weiter müssen die Parteien Junge auf den sozialen Medien ansprechen. Die Arbeit auf der Strasse wird aber trotzdem so bald nicht verschwinden, da der persönliche Kontakt gegeben ist und man seinen Standpunkt darlegen kann.
    Mir ist wichtig zu bemerken, dass Jungpolitiker nicht Politik für die Jungen darstellt, sondern junge Menschen, die Politik machen! Man sollte nicht nur für eine Abstimmung mobilisieren, sondern man sollte die Jungen motivieren, sich eine Meinung zu bilden und so immer wieder an die Urne gehen. Auch befürworte ich das Wahlrecht ab 16 nicht, da mit 18 viele gesetzliche Sachen einhergehen, wie zum Beispiel das Wahlrecht oder die Steuern.
  6. Der Rechtspopulismus erlebt einen Anstieg in den letzten Jahren – wie wollen Sie damit umgehen?
    Finde ich nicht. In der Schweiz verlor die SVP viele Wahlen in den letzten Jahren. Die Jungfreisinnigen stehen für „eine Partei für die Zukunft“. Wir unterstützen Menschen, welche etwas bewegen wollen in der Schweiz. Wir stehen immer zu unseren Fakten und erzählen die Wahrheit.
  7. Haben Sie Ihr Studium oder Ihre Ausbildung bereits einmal abgebrochen oder stark verändert?
    Das Gymnasium habe ich nach drei Jahren abgebrochen, da ich eine Lehre auf der Bank mit Berufsmatur abschliessen wollte. Ich konnte nicht fünf Tage die Woche die Schulbank drücken.
  8. Haben Sie einmal an einer Prüfung geschummelt? Haben Sie Tipps oder Ratschläge bezüglich Spicks?
    Ja, im Französisch benutzte ich einen Spick. Ich wollte die Prüfung immer hinter der Säule schreiben – somit wurde meine Note nach einem Zimmerwechsel dementsprechend schlechter, da ich die Prüfung nicht mehr hinter der Säule absolvieren konnte. Zusätzlich muss jeder individuell seinen Spickstil finden, es gibt keine generalisierbaren Tipps und es kommt immer auf die Umstände an.
  9. Wo sehen Sie Mängel oder Vorteile des Bildungssystems der Schweiz?
    Mängel: Es gibt viele Studenten, die anfangen irgendetwas zu studieren, dann wechseln und abbrechen und somit nie fertig werden. Junge Menschen wissen nicht, was sie studieren wollen – wenn die Uni mehr erfordern würde, würden es sich die Studenten vielleicht besser überlegen.
    Vorteile: Duales Bildungssystem – Ich konnte das Gymnasium abbrechen und trotzdem einen Master an der Uni machen. Diese Durchlässigkeit ist für mich extrem wichtig und etwas, was die Schweiz auszeichnet.
  10. Lehre oder Studium? Und wieso?
    Definitiv beides. Ich habe beides gemacht, es gibt für mich nicht entweder oder.
  11. Welcher Politiker wäre für Sie der beste Dozent? Und warum?
    Ruedi Noser, Ständerat der FDP Zürich. Er ist ein Querdenker und bringt die Leute auf neue Gedanken. Ist Unternehmer, besucht Festivals – macht viele Sachen, was ich sehr inspirierend finde.
  12. Haben Sie Tipps & Ratschläge, wie junge Menschen sich mehr in die Politik einbringen können?
    Das intelligenteste, was man tun kann: Sich in eine lokale Jungpartei einschreiben. Dann hat man die erste Sitzung, hat Spass daran, geht eventuell wieder und so weiter. Leute überreden bringt meistens nichts, das muss von den Jungen selber kommen!
  13. Was halten Sie für die wichtigsten Punkte, welche die Politik so schnell wie möglich behandeln muss?
    Die Herausforderung der demographischen Entwicklung, sprich: vor allem die Altersvorsorge.
    Die Digitalisierung und die Auswirkungen auf das Leben jedes Einzelnen. Bildung spielt da natürlich auch eine sehr grosse Rolle, wir müssen am Ball bleiben.
    Die Europapolitik und deren Ramifikationen. Die Schweiz muss gute Beziehungen zu der EU beibehalten, wir brauchen den Austausch! Und zwar kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Austausch.
  14. Wie sieht Ihr politischer Alltag aus und wie viel Zeit wenden Sie pro Woche oder Monat ungefähr für Ihr Amt auf? Und wie verbinden Sie das mit der Arbeit und dem Privatleben?
    Es sind etwa 20 Stunden in der Woche – wahrscheinlich mehr!
    Das ist Teil meiner Freizeit, die Arbeit wird wenig beeinträchtigt. Ich habe sowieso einen Arbeitsvertrag von 90 %, um die restlichen 10 % in die Politik zu investieren. Ich erhalte zudem einen halben Tag, da ich als Gemeinderat tätig bin. Das Engagement in der Partei ist natürlich ehrenamtlich.
  15. Haben Sie auch schon Hassbriefe oder Hasskommentare erhalten?
    Solche Schreiben gibt es tatsächlich, es sind aber sehr wenige. Drei pro Monat ungefähr, nach jedem Fernsehauftritt folgen einige. Wenn Sie Inhalt oder Fragen aufweisen, dann gibt es auch allermeistens eine Antwort von mir. Wenn es pure Beleidigungen sind, wird es gelöscht.

Andri Silberschmidt, Präsident Jungfreisinnige Schweiz, Gemeinderat Stadt Zürich (ab Mai 2018), im Vorstand FDP Schweiz sowie im Vorstand Aktion Medienfreiheit

Geboren: Zürich, 26.02.1994
Ausbildung: Gymnasium abgebrochen, danach Banklehre mit Berufsmatura abgeschlossen. Bachelor in Teilzeit an der ZHAW in Betriebsökonomie. Im Moment im Master in London als Fernstudium.
Arbeit: Fondmanager Swisscanto Invest (Aktienfonds Entwicklungsländer)
Hobbys: Politik, Ausgang, Reisen, Lesen