Gegner der KlimademonstrantInnen werfen den Jugendlichen vor, dass sie inkonsequent in ihrem Konsumverhalten sind. Es ist jedoch wichtig, auch DemonstrantInnen mit Doppelmoral in die Klimabewegung zu integrieren und zum Nachdenken zu bringen.
Kampf fürs Klima
Freitagmorgen, 9:00 Uhr: Maximilian und einige KlassenkameradInnen haben sich auf der Polyterrasse versammelt. Das kleine Grüppchen steht etwas abseits der immer grösser werdenden Menge. Für viele ist es ihr erster Klimastreik, gar das erste Mal an einer Demonstration. Unterschiedliche Motive haben die GymnasiastInnen zum Streiken bewegt. Da gibt es die glühenden VerfechterInnen des Klimaschutzes. Sie haben, beseelt durch die aufkeimende Umweltbewegung, auch ihre Klasse an den Streik mitgeschleppt. Jene MitschülerInnen bilden das eigentliche Substrat des Streiks. Sie machen die Menge gross und tragen dadurch das Anliegen in die breite Gesellschaft. Vielleicht mögen sie selbst nicht die grössten AktivistInnen sein, stehen jedoch überzeugt für die Sache ein. Dann gibt es auch einige, die sich nicht sonderlich für die steigenden Meeresspiegel interessieren, sondern lediglich die Gelegenheit nutzen möchten, um mal der Schule einen Morgen fernzubleiben, oder um ihre rebellische Ader auszutesten. Maximilian ist mitgekommen, weil er grundsätzlich von der Idee überzeugt ist. Er bedauert, dass immer mehr Menschen unter den Folgen des Klimawandels leiden und wünscht sich eine Zukunft, in der es sich zu leben lohnt. Ausserdem sind die meisten seiner Klasse gekommen – warum also sollte er mit den wenigen verbleibenden SchülerInnen den Unterricht besuchen? Der Demonstrationszug setzt sich in Bewegung und rasch legt das Grüppchen die anfängliche Zurückhaltung ab. Lauthals skandieren sie: «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!». Maximilian ist begeistert, geradezu ereifert. Er zückt sein iPhone X und postet ein Bild der Demo in seine Instagram-Story.
Nach der Demo bricht das Grüppchen auseinander. Einige SchülerInnen gehen zurück zur Schule, um noch der letzten Lektion des Morgens beizuwohnen. Maximilian und ein Klassenkamerad beschliessen, den langen Mittag zu Hause zu verbringen. Max ruft seine Mutter an, um sich von ihr abholen zu lassen. Um die Wartezeit zu überbrücken, holen sich die beiden einen Kaffee bei Starbucks. Wenige Minuten später steht Mami mit dem Audi Q8 auf der Matte und die beiden lassen sich nach Hause kutschieren. Während sich der Wagen die Strassen des Züriberger Villenquartiers hochschlängelt, erinnert Maximilians Mutter ihren Sohn daran, seine Sachen für den bevorstehenden Wochenendtrip nach Barcelona zu packen. «Denk daran, ein Hemd für die Vernissage deines Onkels mitzunehmen. Und geh heute früh ins Bett, unser Flug geht um 6:30!»
Vielleicht etwas subtiler, doch wird von GegnerInnen der Klimabewegung gerne solch ein widersprüchliches Narrativ konstruiert. Obschon Maximilian in diesem Fall fiktiv ist, findet sich das Bild der privilegierten Jugend, welche etwas verwirrt utopische Forderungen in die Welt schreit, im konkreten Meinungsbild vieler Personen wieder. Naiv seien sie blosse TrittbrettfahrerInnen des Klimahypes. Ihnen fehle es an Weitsicht, an Erfahrung und an Pragmatismus, so der Tenor.
Arroganz statt Aktivismus
Christian Lindner, Parteivorsitzender der deutschen FDP, liess sich kürzlich in der Talkshow «Markus Lanz» zu folgender Aussage hinreissen: «Kann man von Kindern erwarten, dass sie alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomische Machbare sehen? Ich behaupte, Herr Lanz, Sie und ich sehen noch nicht mal alle globalen Zusammenhänge.» Herr Lindner gibt sich dabei betont unprätentiös und tarnt seine Geringschätzung für eine von überwiegend jungen Leuten getragene politische Bewegung. Dieses Muster zieht sich durch grosse Teile der politischen Landschaft. Das Establishment zeigt sich interessiert und offen, weil diesem bewusst ist, dass das völlige Übergehen der Klimathematik keine landläufige Option mehr ist.
Greta Thunberg, welche von der «Weltwoche» zur «Kindersoldatin der Linken» stilisiert wird, macht sich in Wahrheit zur PR-Marionette des WEFs. Einmal darf sich das süsse kleine Mädchen, welches es doch so gut mit uns und unserer Welt meint, von der internationalen Wirtschaftselite beklatschen lassen. Zur Kenntnis genommen und ad acta gelegt, vielen Dank. Auch SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga lud bereits einige Klimastreikende ins Bundeshaus ein, um ihnen zu erklären, dass sie deren Engagement prinzipiell begrüsse und diese unterstützen möchte. Dabei verwies sie beinahe stolz auf das CO2-Gesetz, welches schlussendlich von linken Fraktionen des Nationalrats aufgrund des verwässerten Charakters abgelehnt wurde. Weiterhin merkte sie an, dass sie in ihrer Funktion als Bundesrätin dem Kollegialitätsprinzip verpflichtet sei und ihr Handlungsspielraum somit gering sei. Nun fragt man sich, warum Frau Sommaruga die tobenden Kinder überhaupt ins Bundeshaus lädt, wenn doch ein Eingehen auf deren Anliegen nur beschränkt bis gar nicht möglich ist. Schon die mittelalterlichen Monarchen wussten, dass es sich geziemt, auch einmal kritische Meinungen in den Palast zu holen. Da die Egos der Könige jedoch leicht angekratzt werden konnten, zog man einen Hofnarren für diese Aufgabe vor. Dieser lief durch seine Lächerlichkeit kaum Gefahr, das Antlitz des Königs ernsthaft zu trüben. Jene Aufgabe haben nun die jugendlichen KlimaaktivistInnen zu erfüllen. Sich mit engagierten, jungen Menschen ablichten zu lassen und dabei mit rhetorischer Überlegenheit zu glänzen, ist für einen Berufspolitiker ein willkommenes Selbstdarstellungsvehikel. Doch leider sind die jungen AktivistInnen keine Medienprofis und sich deswegen oft ihrer Aussenwirkung nicht bewusst.
Die Gegner der Klimabewegung argumentieren, die junge Generation sei nicht nur mächtig naiv, nein, sie sei auch eine Bande von Doppelmoralisten. Die Jugendlichen hätten keine Mühe damit, die älteren Generationen für ihr Nichtstun zu kritisieren, seien jedoch nicht bereit, ihr eigenes Konsumverhalten zu ändern. Ganz nach «Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!» soll den aufmüpfigen Jugendlichen ihr Individualversagen eingeimpft werden. Dass diese jedoch in ein System hineingeboren wurden, welches die Missachtung von Natur und Mensch strukturell befördert, wird dabei gerne übergangen. Wer sich bei der Diskreditierung der Klimabewegung nicht bloss auf plumpen Adultismus stützen möchte, findet in der «Neuen Zürcher Zeitung» eine vermeintlich wissenschaftliche Argumentation. «Die moralische Falle des Klimastreiks», so titelte Anfang Februar das Blatt, welches sich gemäss seiner Statuten einer freisinnig-demokratischen Grundhaltung verpflichtet fühlt. Im Artikel warnt der Autor vor der Gefahr des Rebound-Effekts. Klimapolitisches Engagement könne bei den Beteiligten klimaschädlicheres Verhalten provozieren. Diese würden sich durch Klimaaktivismus reinwaschen und sich dadurch eine Legitimation verschaffen, um daraufhin klimaschädlicher zu handeln. Klimademos als moderner Ablasshandel? So kann man es sich auch zurechtbiegen. Über den Lebensstil von Klimastreikteilnehmenden lässt sich viel spekulieren. Es dürfte jedoch keine kühne Annahme sein, dass der durchschnittliche ökologische Fussabdruck der Klimastreikenden kleiner ausfallen dürfte als das nationale Mittel.
Verantwortung übernehmen
Sicherlich finden sich in einer solch grossen Bewegung widersprüchliche Figuren wie Maximilian. Sollte es aber nicht auch das Ziel einer Klimabewegung sein, solche Personen mit grossem ökologischen Fussabdruck miteinzubeziehen, ohne sie dafür zu verurteilen? Eine Klimabewegung muss laut und frech sein. Sie muss ihren Finger entschieden in die Wunde legen. Jedoch muss sie auch eine zusammenstehende und solidarische Gemeinschaft bieten, welche auf Polemik verzichten kann. Dieses Spannungsfeld gilt es zu überwinden, sodass die Klimabewegung mithelfen kann, die Welt in eine nachhaltige Zukunft zu führen. Eine Zukunft, in der Maximilian bewusst auf den Kurztrip nach Barcelona verzichtet.
Dieser Beitrag ist als Erstpublikation im Magazin RePHlex des VSPHZH erschienen.