Präsident Junge SVP: «Populismus ist eher ein Medienphänomen.»

Interview

  1. Benjamin Fischer, weshalb sind Sie in der Politik? Was bewog Sie dazu, Jungpolitiker zu werden?
    Ich habe mich relativ früh grundsätzlich dafür interessiert, wie eine Gesellschaft funktioniert, von einem theoretischen und philosophischen Standpunkt. Die Schweiz ist sehr nahe an einem „perfekten Staat“ – das bewunderte ich und wollte dazu beitragen. Zu der SVP brachten mich die Ausländer- bzw. Immigrationsthematik, die Neutralität der Schweiz sowie die Unabhängigkeitsthematik.
    In der Schule gab es separate Gruppen, je nach Nationalität, welche sich ohne Integration abkapselten. Die Lehrer waren völlig überfordert. Wie kann Integration überhaupt noch funktionieren, ab einer bestimmten Anzahl Menschen, welche integriert werden müssen?
    Liberale Wirtschaftspolitik ist mir auch wichtig, das kam dann während des Studiums auf – ich möchte dazu beitragen, diese beizubehalten.
  2. Wie stellen Sie sich die „perfekte“ Schweiz in den nächsten fünf / zehn / fünfzehn Jahren vor?
    Perfekt ist für mich immer bestmöglich. Dies unterscheidet uns von der Juso – welche von einer abstrakten Traumwelt redet, die mit der Realität wenig zu tun hat.
    Es ist nicht die Politik oder die Politiker, welche die bestmögliche Schweiz ausmachen! Es sind immer die Menschen. Die Politik muss nur Rahmenbedingungen setzen – das soll eine Entwicklung sein, an der aber alle beteiligt sind – Firmen, Arbeiter und alle Menschen. Diese prägen und gestalten die Schweiz von morgen. Die Politik soll sich meiner Meinung nach aus mehr Bereichen raushalten.
    Wichtig ist, dass wir einen Staat haben, in dem sich alle nach Möglichkeiten und Fähigkeiten entwickeln und entfalten können. Dabei neutral bleiben und die direkte Demokratie pflegen ist mir wichtig, denn sie ist momentan enorm in Gefahr.
    Die direkte Demokratie ist kein altes, konservatives Konzept – sondern für mich ein Zukunftsmodell in einer immer komplexer werdenden Welt, da niemand wissen kann, wie die Welt von morgen aussieht. Wir müssen diese Antifragilität beibehalten, konkret für die Schweiz: Wir müssen unabhängig bleiben! Dürfen uns auf keinen Fall zu nah an die EU binden. Wir haben z.B. bereits ein Handlungsabkommen mit China, welches die EU noch nicht hat. Die Freiheit jedes Einzelnen muss genau so bewahrt und beschützt werden.
  3. Wie haben sie vor, auf die Digitalisierung zu reagieren? Können Sie konkrete Schritte nennen?
    Die Sicherheit und der Datenschutz müssen vom Staat gegeben sein und kontrolliert werden. Ich sehe grosse Probleme beim E-Voting – im Moment bin ich stark dagegen! Denn das wäre zurzeit eine Gefahr für die Demokratie – wir müssen das Stimmgeheimnis wahren und gleichzeitig die Nachvollziehbarkeit und das Vertrauen in die Demokratie gewährleisten. Wir müssen als Land aber auch vorwärtsschreiten und vorausschauen in der Digitalisierung, insbesondere in der Verwaltung sind wir noch rückständig.
  4. Was ist Ihr persönliches politisches Ziel für die Zukunft?
    Planen kann man das sowieso nicht. Wir müssen aber die wichtigen Werte der Schweiz erhalten. Föderalismus, direkte Demokratie und weitere Schweizer Grundwerte müssen Teil der Schweizer Identität bleiben. Mein persönliches Ziel: Die Freiheit des Bürgers, die Kompetenzen der Gemeinde und der Kantone bewahren. Der Föderalismus, die direkte Demokratie und die Unabhängigkeit der Schweiz beibehalten.
  5. Wie haben Sie vor, mehr Wähler zur Urne zu bringen, vor allem die Jungen?
    Das war schon immer eine schwierige Frage. Man muss schauen, dass man die Bürger auf ihren Kanälen erreicht – deswegen haben wir die Aktivität auf den sozialen Netzen erhöht.
    Man muss den Menschen bewusst machen, dass sie alle persönlich von den Wahlen betroffen sind. Die Themen sind aber eher komplex und werden noch komplexer – sie direkt zum Bürger bringen ist nicht einfach. Man muss diese komplexen Themen also herunterbrechen und an den Mann bringen. Ist aber auch ein Wohlstandsproblem: Vielen Leuten geht es sehr gut und sie sind zufrieden – deswegen ist ihnen nicht so wichtig, was die Politik macht!
    Die Kampagnen sind natürlich auch sehr wichtig. Hier konkurrenzieren wir aber nicht nur mit anderen Parteien – sondern mit allen Angeboten der Medienlandschaft und den Informationen, welche ständig an die Menschen gelangen! Also auch mit Werbung und verschiedensten Angeboten. Es ist eine Herausforderung und es gibt sicher kein Patentrezept – auch für die nächsten Jahre wird es ein wichtiges Problem bleiben.
    Ich will aber nicht nur, dass die Bürger wählen gehen. Zusätzlich sollten es informierte Bürger sein, die wissen, über was sie abstimmen! Da gibt es z.B. Tools wie Smartvote, welche bei der Aufklärung helfen. Auch an verschiedenen Schulpodien war ich schon unterwegs – und das Interesse ist eigentlich da. Diese Podien helfen, das Interesse zu entfachen. Dabei darf der persönliche Bezug aber nicht fehlen.
  6. Der Populismus erlebt einen Anstieg in den letzten Jahren – wie wollen Sie damit umgehen?
    Dafür muss man erst einmal Populismus definieren! Ist Trump und Brexit populistisch oder auch En Marche von Macron? Das würde ich so bestreiten. Was war denn früher? Z.B. die Margaret Thatcher von England – mit welchen Politikaspekten vergleicht man?
    Es gibt aber ein neues Medienphänomen. Die Journalisten haben heute weniger Zeit – man muss in schnellstmöglicher Zeit so viele Leser wie möglich erreichen. Man darf nicht vergessen, wie stark der Journalismus die Politik beeinflusst.
    Für den Politiker ist die Aufmerksamkeit der Bürger seine Währung! Man kann die besten Lösungen und Ideen haben – wenn man damit keine Aufmerksamkeit generiert, sind sie wertlos.
    Die Medien erreicht man nur, indem man vereinfacht und zuspitzt. Wenn man nicht diese Soundbites und knackigen Aussagen generieren kann, wird der Artikel einfach nicht geschrieben oder nicht publiziert. Für mich ist das eher ein Medien- oder ein Journalismusphänomen. Die Politik wird einfach von diesen in dieses Korsett gezwängt oder man sucht sich seine eigenen Kanäle über Social Media, die nach demselben Prinzip funktionieren.
  7. Haben Sie Ihr Studium oder Ihre Ausbildung bereits einmal abgebrochen oder stark verändert?
    Nein. Ich habe gerade nach meiner Berufsmatur das Bachelorstudium gemacht. Hatte aber nicht im vornhinein geplant, den Master zu machen. Habe 2013 den Bachelor abgeschlossen und dann erst 2016 den Master angefangen.
  8. Haben Sie einmal an einer Prüfung geschummelt? Haben Sie Tipps oder Ratschläge bezüglich Spicks?
    In der Handelsmittelschule hatten wir den grossartigen Taschenrechner mit der Speicherfunktion – da konnten ich und alle anderen auch unsere Notizen in den Taschenrechner speichern.
    In der Primarschule hatte ich einen durchsichtigen Stift, bei dem ich die Spicks rollen und reinschieben konnte, was auch sehr praktisch war!
  9. Wo sehen Sie Mängel oder Vorteile des Bildungssystems der Schweiz?
    Mängel: Es sollen nicht alle künstlich durch die Matura gezwungen werden.
    Der immer wiederkehrende Streit über den nationalen Lehrplan (Primarschule z.B.). Bin ein grosser Kritiker des Lehrplans 2021 – es werden viele Themen behandelt, aber keines richtig! Auch gibt es eine immer grösser werdende Themenvielfalt. Was ist jetzt wichtiger: Medienkompetenz, Programmieren zu können, den Zusammenhalt mit den Landessprachen beizubehalten oder wie gehabt weiterfahren?
    Ich bin auch kein Fan des Bologna-Systems. Viele sagen, dass Bologna gescheitert ist – es hat nicht das gebracht, was es sollte. Die Credits sollen eine Vergleichbarkeit zwischen den Schulen und Studiengängen herstellen, was aber überhaupt nicht zutrifft. Es ist auch nicht gut für das Verständnis von Inhalten, sondern es fördert das Bulimie-Lernen: Für die Prüfung lernen und dann wieder vergessen. So wie es jetzt umgesetzt wird, habe ich Angst, dass die Zusammenhänge nicht mehr verstanden werden.
    Vorteile: Haben grundsätzlich ein gutes System. Das duale Bildungssystem ist eine starke Eigenschaft der Schweiz. Die Durchlässigkeit ist sehr wichtig und lobenswert. Auch das System der Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Fachhochschulen und Universitäten ist sehr praktisch, was leider im Ausland nicht ganz verstanden wird.
  10. Lehre oder Studium? Und wieso?
    Was besser für das Individuum passt! Ich bin ein grosser Fan der Berufslehre. Wer dem Staat am meisten bringt, ist jemand, der die Berufslehre abschliesst und dann Weiterbildungen macht. Aber wenn jemandem das Studium passt, sollte man direkt nach dem Gymnasium studieren!
  11. Welcher Politiker wäre für Sie der beste Dozent? Und warum?
    Hans-Ueli Vogt ist sicher ein guter Dozent – er lehrt Recht an der Universität. Ist sehr pragmatisch und charismatisch.
  12. Haben Sie Tipps & Ratschläge, wie junge Menschen sich mehr in die Politik einbringen können? Oder haben Sie Ratschläge für andere Jungpolitiker?
    Ja: Sie sollen es unbedingt tun! Sie sollen aber nicht denken, sie könnten einfach kommen, eine grosse Klappe haben und das System umkrempeln. Man muss zuerst einmal in der Politik die Augen aufmachen, zuhören und lernen. Es braucht einen extremen Durchhaltewillen, man muss sehr motiviert sein. Aber wenn man engagiert ist und sich anstrengt, kann man schnell in Gremien Einsitz nehmen und grosses Mitspracherecht erreichen in der Politik. Ich wurde sehr jung Kantonsrat und Präsident der JSVP. Man muss realistisch bleiben, die Erwartungen runterschrauben und dann merkt man, dass man viel bewegen kann!
  13. Was halten Sie für die wichtigsten Punkte, welche die Politik so schnell wie möglich behandeln muss?
    Oh, da gibt es so viele! Wo soll man da nur anfangen? Die Beziehung zur EU zu stabilisieren ist sicher ein Hauptthema in der nächsten Zeit.
    2034 hat die Schweiz etwa 10 Millionen Einwohner nach dem Bundesamt für Statistik. Aus meiner Sicht müssen wir jetzt die Zuwanderung steuern und stoppen. Wir brauchen Menschen, die ihren Lebensunterhalt selber aufbringen können, sprich Fachkräfte. Zusätzlich müssen wir diejenigen aufnehmen, welche an Leib und Leben bedroht sind, sprich Flüchtlinge.
    Auch müssen wir die globalen Veränderungen beachten. Nach dem Fall der Mauer war von einem ewigen Frieden die Rede; jetzt gibt es Konflikte in Nahost, der Ukraine und so weiter. Daher müssen wir auch in das Militär investieren, um nicht unbewaffnet dazustehen! Brauchen auch Schutz im Netz, also Cyberpolizei und Ähnliches. Schutz der Privatsphäre, der Persönlichkeit – es gibt noch grosse Lücken in der Sicherheit online.
    Im Wirtschaftsbereich den Platz Schweiz verteidigen und die Stärken beibehalten.
    Und: Wie sollen wir langfristig alle Sozialausgaben zahlen? Es gibt immer mehr Gemeinden, welche die Kosten nicht mehr tragen können.
    Genauso die Gesundheitskosten, wie z.B. die Krankenkassen, welche jährlich die Prämien hochschrauben. Wir müssen uns langsam bewusst sein: wie zahlen wir das langfristig?!
  14. Wie sieht Ihr politischer Alltag aus und wie viel Zeit wenden Sie pro Woche oder Monat ungefähr für Ihr Amt auf? Und wie verbinden Sie das mit der Arbeit und dem Privatleben?
    Kann ich so nicht sagen. Ist je nach Monat sehr unterschiedlich. Am Montagmorgen habe ich Kantonsratssitzung, dann am Nachmittag die Fraktionssitzung. Kommission alle ein oder zwei Wochen am Dienstagmorgen. Fast jeden Abend nehme ich an verschiedenen Sitzungen teil.
    Zusätzlich noch die Kommunikation, sprich Mails, Briefe und Social Media.
    Mit der Arbeit geht das, da ich im Moment vor allem am Studieren bin. In meinem Alltag stellt das etwa 50/50 dar, zwischen Politik und Arbeit mit Studium.
  15. Haben Sie auch schon Hassbriefe oder Hasskommentare erhalten?
    Ja, massenweise! Ich habe einen ganzen Stapel mit „Fanpost“ – mit gemeinen und sinnlosen Kommentaren. Zum Beispiel wurde ich bisher gerne „Nazi-Arschloch“ genannt. Oft erhalte ich aber auch dubiose Verschwörungstheorien.
    Da ich in der Gesundheits- und Sozialkommission bin, erhalte ich auch viele Briefe aus psychiatrischen Kliniken. Da schreiben mir die Leute dann selber oder deren Angehörige. Denn in diese Kliniken werden zum Teil Leute fürsorgerisch untergebracht. Da gibt es natürlich viel Hass, welcher mir entgegenschlägt.
    Ich habe auch schon Briefe erhalten, da ich mich für die Legalisierung von Marihuana ausgesprochen habe. Da erhielt ich auch von SVP-Befürwortern selber viel Kritik.

Benjamin Fischer, geboren in Volketswil, 16.08.1991.
Politisches Amt: Präsident Junge SVP (seit 2016), Kantonsrat Zürich (seit 2015), Präsident der SVP Volketswil, mit 15 der SVP beigetreten (Untypischer Weg – bei Junge SVP und regulärer SVP – zuerst bei Mutterpartei und erst dann bei Jungen SVP Karriere gemacht ).
Ausbildung: Kaufmännische Berufsmatur, Bachelorstudium Wirtschaft und Politik an der ZHAW, Versicherungsvermittler VBV, Militär: Offizier 1.5 Jahre, Master im strategischen Management an der HWZ.
Arbeit: Administration bei Familienbetrieb, im Moment relativ wenig Zeit zum Arbeiten (Politik macht etwa 50 % des Pensums aus).
Hobbys: Politik ist eigentlich mein Hobby! Sonst reisen, bin gerne draussen und etwas Sport.