Hotelfachschulen sind für ihren praxisorientierten Unterricht bekannt. In Zeiten von Distance Learning ein Ding der Unmöglichkeit? Wir sind der Sache auf den Grund gegangen und haben bei der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern nachgefragt, ob und wie sich der Unterricht im vergangenen Jahr verändert hat. 

Die Weinflasche wird geöffnet. Das dumpfe Ploppen des Korkens übertönt die Stimme des Dozierenden für einen kurzen Moment. Die purpurrote Flüssigkeit sickert in die kristallklaren Weingläser. Nun heisst es höchste Konzentration, um alle Facetten und Eigenschaften des Weins zu erschmecken. Etwa so kann eine Unterrichtseinheit im Modul Önologie – der Weinlehre – für Alexandra Stieger, Studierende der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern, aussehen. Auch in Corona-Zeiten waren praktische Elemente wie Weindegustationen möglich. Zwar anders, aber möglich. Die SHL musste sich in den letzten 14 Monaten in vielen Bereichen praktisch neu erfinden, um den Spagat zwischen Praxisunterricht und dem Einhalten von Sicherheitsmassnahmen zu meistern. 

Die Schweizerische Hotelfachschule Luzern in einer Welt vor Corona

Der gewohnte Tagesablauf an der SHL zeichnete sich in den ersten beiden Semestern Küche und Restauration des Bildungsgangs HF durch eine Hybridform von Theorie und Praxis aus. Während je zehn Wochen sassen die Studierenden im Klassenzimmer und setzten dann im Verlauf des Tages das Gelernte in der Küche und den verschiedenen Outlets der Schule um. Wie bedeutend dieser stetige Wechsel zwischen Theorie- und Praxisunterricht für die Studierenden ist, betont auch Alexandra: «Wir üben nicht im Klassenzimmer mit Plastiktellern und -gläsern, sondern sind jeden Tag dafür verantwortlich, dass rund 200 Studierende auf einem hohen Niveau im Ausbildungsrestaurant der SHL verpflegt werden». Trainiert wird die Realität, keine Alibi-Übung. 

«Wir üben nicht im Klassenzimmer mit Plastiktellern und -gläsern, sondern sind jeden Tag dafür verantwortlich, dass rund 200 Studierende auf einem hohen Niveau im Ausbildungsrestaurant der SHL verpflegt werden», berichtet die Lernende Alexandra stolz

Herausforderungen meistern à la SHL

Der Beginn der Pandemie machte dem gewohnten Tagesrhythmus an der SHL definitiv einen Strich durch die Rechnung. Von einem Tag auf den anderen musste der Unterricht vollumfänglich digitalisiert werden – keine einfache Sache. Sämtliche Unterrichtseinheiten wurden überdacht, Lektionen noch stärker rhythmisiert und Studierende noch intensiver aktiviert. Dazu kamen die Bekanntschaft mit etlichen neuen Tools und die schnelle Aufstellung der digitalen Lerninfrastruktur. Doch nicht nur technische und didaktische Herausforderungen hatte die Schule zu bewältigen. Da ein Präsenzunterricht erst gar nicht und später nur in Ausnahmefällen erlaubt war, sah sich die SHL gezwungen, sich vom gewohnten Hybridunterricht zu trennen und die Theorie getrennt von der Praxis zu vermitteln. So unterrichtet die Schule in den Semestern Küche und Restauration aktuell im Rahmen eines intensiven vierwöchigen Praxismoduls an der SHL, in welchem die Studierenden in kleineren Gruppen, ohne dabei die Sicherheitsmassnahmen zu vernachlässigen, ihre praktischen Fertigkeiten erweitern. Die Theorie dazu wird den Studierenden im Fernunterricht vermittelt, wie es auch in den oberen Semestern der Fall ist. Die vier intensiven praktischen Wochen, welche SHL Studentin Alexandra im Restaurations-Semester erlebt hat, erachtet sie als ausreichend: «Länger wäre natürlich schöner gewesen, aber immerhin durften wir während des Semesters einen Monat vor Ort sein.»

Die Schule mit Erfindergeist

Besonders am Erfindergeist mangelt es bei der SHL definitiv nicht. Obwohl man sich physisch nicht sehen konnte und durfte, liessen sich die Dozierende einiges einfallen, um bei den Studierenden das Gefühl der Zugehörigkeit aufrecht zu erhalten. Weindegustationen wurden online durchgeführt, Lieferanten via Live-Schaltungen virtuell besucht oder das Brot gemeinsam vor dem Bildschirm gebacken. Das nur drei Beispiele, mit welchen das SHL Feeling erhalten wurde. Gerade Letzteres vermisste Alexandra im Fernunterricht trotzdem ein bisschen und sie erinnert sich gerne an die tollen Vor-Corona-Veranstaltungen der Schule, die auch ausserhalb des Klassenzimmers stattfanden, zurück: «Leider konnte der «Kiosk», ein regelmässiger Event der Studienverbindung, nicht mehr durchgeführt werden. Dieser gehört jedoch zur SHL und zum Leben einer SHL-Studierenden dazu – und fehlte uns in den letzten Monaten entsprechend.» Aber auch in diesem Punkt liess die Schule ihre Studierenden nicht im Stich. Alexandra erklärt, dass die Schulleitung einmal pro Woche einen digitalen, semesterübergreifenden Austausch mit Neuigkeiten, Quiz, Diskussionsrunden und Versteigerungen organisiert hat. Doch nicht nur das: Beim ersten Get-Together erhielten die künftigen «Dipl. Hôtelier-Restaurateurs HF / Dipl. Hôtelière-Restauratrices HF» sogar ein Apéro-Paket vor die Haustür geliefert und konnten trotz Entfernung gemeinsam anstossen.

Trotz Distanz ganz nahe

Eines steht fest: Die SHL und die Studierenden waren trotz Distanz, ziemlich nah vereint. Aus unserem Gespräch mit Silvio Tschudi lässt sich der bewundernswerte Teamspirit zwischen Schule und Studierenden heraushören. Obwohl alle sagen würden, dass die Pandemie aufgrund von Social Distancing die Leute auseinandertreibe, findet er, dass die ungewohnte Situation alle zueinander geführt habe. Er erlebte viel Kreativität von beiden Seiten und erzählt mit berechtigtem Stolz, dass die Qualität der Projektarbeiten, in welchen die Studierenden der Semester Betriebswirtschaft und Unternehmensführung reale Gastronomie- und Hotelkonzepte entwickeln, höher einzustufen sei als vorher. Studierende würden Zeit sparen und effizienter arbeiten, berichtet Tschudi. Auch Alexandra gewinnt der sonderbaren Zeit viel Positives ab: «Die Dozierenden haben auf eine ganz andere Art und Weise Massnahmen ergriffen, um den Unterricht trotz Distance Learning so lebhaft wie nur möglich zu gestalten.» Natürlich sei es laut ihr nicht das Gleiche, den ganzen Tag geradeaus in einen Bildschirm zu schauen, dennoch habe die Studierende den Unterricht während der Pandemie weder als anstrengend noch langweilig wahrgenommen.

Trotz allem: Grosse Vorfreude auf den Präsenzunterricht

Aus unserem Interview mit der Studierenden Alexandra und dem Dozenten Silvio Tschudi ziehe ich das Fazit, dass es der SHL trotz Sicherheitsmassnahmen und Restriktionen gelungen ist, ihren Studierenden die nötigen Fach- und Sozialkompetenzen – auch in der Praxis – zu vermitteln und den SHL Spirit trotz räumlicher Distanz zu leben. Zudem bot die Schule den Studierenden etwas an, das viele von uns während der Pandemie vermissten: eine Struktur im Alltag. «Die Tage waren klar gegliedert und auch der Dresscode sowie die Schuletikette wurden weiterhin durchgezogen», berichtet die Studierende. Die Schule hat es geschafft, trotz Pandemie dafür zu sorgen, dass die Qualität der Weiterbildung konstant hoch blieb. Nichtsdestotrotz freuen sich alle – Studierende und Dozierende gleichermassen – bald wieder ganz an die Schule zurückzukehren und die Mitstudierenden und Gäste wieder mit einem Lächeln ohne Maske empfangen zu dürfen.