Beni Huggel: «Verfolge deine Träume mit Vollgas, aber halte immer Plan B bereit»

Der ehemalige Fussball-Nationalspieler Beni Huggel spricht im Interview mit uns über seine Karriere-Highlights, Knackpunkte beim Übergang von der Profizeit in die Nachsportkarriere und sein neustes Projekt, mit welchem er genau diese Probleme angeht.



Beni, du warst 14 Jahre lang Fussball-Profi und hast eine beeindruckende Sportkarriere hinter dir. Was war dein persönliches Highlight aus dieser Zeit?

 «Ich möchte all diese Erlebnisse und Chancen gleichwertig behandeln.»

Ich durfte viele Highlights erleben. Zuerst einmal bin ich froh, dass ich überhaupt Profi werden konnte. Das Besondere war dann natürlich, dass ich genau beim Verein meiner Heimat Profi sein durfte – dem FC Basel. Dann selbstverständlich das erste Mal Schweizer Meister im Jahr 2002. Ich denke, das war damals so speziell, weil niemand daran geglaubt hatte. Es war sicher auch ein riesiges Highlight, als ich Nationalspieler der Schweizer-Nati sein durfte – später kamen dann noch die Spiele der Bundesliga dazu. Ich durfte so viel erleben. Den Überblick über all diese tollen Momente verliert man nicht. Es ist mehr so, dass ich mich nicht auf ein besonderes Highlight festlegen will, denn ich möchte all diese Erlebnisse und Chancen gleichwertig behandeln.

Vor deiner Sportkarriere hast du das Gymnasium abgebrochen und dich später für eine Lehre als Landschaftsgärtner entschieden. Aus welchen Gründen?

Ganz ehrlich gesagt, im Gymi war ich einfach zu schlecht und ich habe zu wenig gelernt. Zu dieser Zeit hatte ich auch keine Lust auf die Schule, wollte nicht mehr hingehen. Die Lehre begann ich dann, weil ich es einfach cooler fand und man als Landschaftsgärtner auch immer gleich die Resultate sieht von dem, was man macht. Im Gymi habe ich genau das vermisst. Heute denke ich, das Gymnasium hätte ich damals wirklich nicht geschafft. Möglichst viel Wissen aufnehmen, abspeichern und dann bei der Prüfung wieder aufs Blatt bringen, das ist nichts für mich. Biologie und Chemie fand ich schrecklich. So hatte ich keine Motivation grossen Aufwand zu betreiben für etwas, was ich nicht einsehe.

Wie reagierten die Eltern denn damals darauf?

Sie fanden das natürlich überhaupt nicht toll und konnten es nicht verstehen, dass ich eine Möglichkeit, die viele andere nicht haben, nicht nutzen wollte. Einfach so hinschmeissen – das fanden sie nicht gut. Später akzeptierten sie es dann aber und als ich dann meine Sportkarriere startete, waren sie umso mehr stolz auf mich.

«Da empfehle ich auf jeden Fall, sich selbst eine zeitliche Limite zu setzen.»

Welche Tipps würdest du einem jungen Talent mit auf den Weg geben, das vor dem möglichen Durchbruch steht?

Das ist eine schwierige Frage. Grundsätzlich sollte man immer einen Plan B haben. Andererseits muss man aber auch Vollgas den ersten Plan verfolgen und mit Herzblut dabei sein. Da empfehle ich auf jeden Fall, sich selbst eine zeitliche Limite zu setzen. Ich selbst habe das damals auch so gemacht: Ich wurde als 21-Jähriger Profi, damals sagte ich mir:
Wenn ich in zwei Jahren nicht vom Sport leben kann, dann gehe ich einen Schritt zurück.

Wie hätte denn der Schritt zurück, also dein Plan B, ausgesehen?

Ganz einfach: Zurück zum Amateur-Fussball und nebenbei hätte ich meine berufliche Karriere weiterverfolgen können. Bevor ich 20 Jahre alt wurde, entschloss ich dann, doch noch die Berufsmatura nachzuholen. Da hatte ich dann erste Lernerfolge und war stolz auf mich, dass ich das geschafft habe. Mit 20 Jahren fand ich die Schule dann also doch nicht mehr so schlimm wie auch schon. So konnte ich mir dann doch vorstellen, an einer Fachhochschule zu studieren. Eine interessante Option wäre für mich sicher ein Sportsstudium oder ein Studium als Landschaftsarchitekt gewesen. Das wären meine beiden Möglichkeiten gewesen als Plan B. Diese «durfte» ich ja dann aber nicht umsetzen.

«Alles machen, alles probieren, aber dann auch ehrlich genug zu sich selbst sein, wenn es eben nicht klappen will.»

Zum Glück kann man heute sagen, oder?

Ja klar! Es ist immer toll, wenn der erste Plan aufgeht, in diesem Moment wünscht man sich nichts mehr als das. An diesem Punkt möchte ich sagen: Alles machen, alles probieren, aber dann auch ehrlich genug zu sich selbst sein, wenn es eben nicht klappen will. Dann muss man sich selbst eingestehen, dass man es lange genug versucht hat und es auch noch andere Chancen im Leben gibt. 

Inwiefern hast du dich während deiner Zeit als Sportler auf das “Leben danach” vorbereitet?

Auf jeden Fall zu wenig. Am Schluss meiner Karriere war Sport meine ganze Identität. Ich habe mich sehr lange nicht mit dem Thema «Aufhören» befasst. Zuletzt habe ich dann erst 3-4 Monate bevor ich meine Karriere beendet habe, richtig mit dem Leben danach auseinandergesetzt. Ich war wirklich total unvorbereitet.


«Auch das Gehirn muss laufend trainiert werden.»

Wie könnten andere Sportler das besser machen?

Wichtig ist da, dass man schon früh Kontakte nutzt und sich so ein Netzwerk aufbaut während man noch voll dabei ist. Dies können beispielsweise Sponsoren sein, das ist schon ein erster wichtiger Kontaktpunkt zur Wirtschaft. Es kann aber auch nur ein Praktikum sein, um mal in einem Unternehmen zu schnuppern. Zudem sollte sich ein Sportler nicht nur auf den Sport fokussieren, auch das Gehirn muss laufend trainiert werden. Das am besten schon während der ganzen Karriere und nicht erst, wenn es zum Schluss kommt.

Was sollten Politik, Wirtschaft und Verbände tun, um Schweizer SportlerInnen auf das “Leben danach” zu unterstützen?

Aus meiner Sicht muss ich sagen, da wird schon sehr viel gemacht. Genug ist es aber noch nicht. Die Schnittstelle zwischen der Sportkarriere und dem Leben danach ist noch nicht optimal gelöst. In der Schweiz wird man als Sportler/in bestimmt nicht fallengelassen, aber trotzdem gibt es noch Luft nach oben.
Da kann ich von einem Beispiel erzählen: Ein Schweizer Sportler schloss mit einem Sponsor einen interessanten Sponsoring-Vertrag ab. Dann, drei Tage nachdem der Sportler in den Medien einmal kurz erwähnte, dass er es in Erwägung zieht, seine Karriere zu beenden, erhielt er einen Brief, indem stand, dass sein Sponsoring Vertrag gekündigt wird und er sein gesponsertes Auto zurückgeben soll. In meinen Augen zeigt dies klar, dass Sportler, sobald sie nicht mehr voll dabei sind und keine Medaillen mehr gewinnen, für viele nichts mehr Wert sind. Solche Geschichten höre ich nicht gerne, das tut mir weh. Traurigerweise ist dies nur ein Beispiel von vielen. 

Du selbst hast den Übergang vom Profisportler in das Leben nach der Karriere gut gemeistert. Erzählst du uns von deiner aktuellen Tätigkeit und wie sich dies ergeben hat?

Momentan habe ich zwei starke Standbeine. Das eine sind Referate, die ich halte zu Führungs- und Change-Themen in Unternehmen. Das zweite Standbein ist natürlich die Moderation im Schweizer Fernsehen, wo ich als Fussballexperte das Geschehen der Fussballwelt kommentiere. Auch sonst bin ich im Schweizer Fussball noch recht aktiv, so mache ich Match-Betreuung, oder Fussballexpertise für Unternehmungen an Kundenevents.


«Ehemalige Athleten haben Skills, die in der Unternehmerwelt gefragt sind. So beispielsweise Durchsetzungsfähigkeit, Zielorientiertheit oder Ehrgeiz.»

Und dann gibt es da noch das SWISS ATHLETES NETWORK …

Genau, das ist mein neustes Projekt. Ich habe mich entschieden gegen das eben genannte Problem selbst etwas zu unternehmen. Da geht es eben genau darum, ein physisches Netzwerk zu gestalten, um ehemalige Athleten oder auch noch aktive Athleten mit der Wirtschaft zusammen zu bringen und einen Kontaktpunkt zu schaffen. Es gibt bereits verschiedene Angebote in Form von Coaching für Athleten in diesem Bereich, aber diese finden meist im stillen Kämmerlein statt. Die Verbindung, also der nahtlose Übergang der Athleten vom Sport in die Wirtschaft, funktioniert manchmal, aber eben nicht immer. Wir vom SWISS ATHLETES NETWORK sind der Überzeugung, dass man eben genau das gross machen muss, das Thema muss in das Bewusstsein der Bevölkerung gelangen. Unternehmen sind auf der Suche nach guten Arbeitskräften. Ehemalige Athleten haben Skills, die in der Unternehmerwelt gefragt sind. So beispielsweise Durchsetzungsfähigkeit, Zielorientiertheit oder Ehrgeiz. Sie werden in der Sportskarriere angeeignet und können auch für Unternehmer im Wirtschaftsbereich sehr wertvoll sein. Wir versuchen da die Verbindung herzustellen. Dies ist in meinen Augen von sehr grosser Bedeutung, gerade für die Schweizer Sportwelt. Das Thema hat mich beschäftigt, also beschloss ich, dieses Projekt auf die Beine zu stellen.

Was steht 2020 sonst noch auf deiner Agenda?

Die Europameisterschaft 2020 wird für mich persönlich natürlich ein grosses Highlight sein fussballtechnisch, das ist nicht überraschend. Privat habe ich eine grössere Reise in die USA geplant mit meiner Familie, da freue ich mich drauf. Sonst schaue ich, was das Jahr 2020 noch so für mich bereithält.

Und zuletzt: Wenn du einmal bei einer berühmten Person in den Unterricht sitzen dürftest, wer wäre es?

Oh, das ist eine gute Frage.
Wahrscheinlich bei Bill Gates, das wäre sicher nicht schlecht!

BENI HUGGEL 

Geboren am 7. Juli 1977 und aufgewachsen in Münchenstein bei Basel wurde Beni Huggel mit 21 Jahren Fussball Profi. Als ehemaliger Nationalspieler lief Beni Huggel 12 Jahre für den FC Basel und zwei Jahre für Eintracht Frankfurt in der 1. Bundesliga auf.


Nach seiner aktiven Karriere als Fussballer bildete er sich in Magglingen als Fussballtrainer weiter und absolvierte 2015 erfolgreich das UEFA-A-Diplom des Schweizerischen Fussballverbands. Seit 2012 begleitet Beni Huggel als SRF-Fussball-Experte die Schweizer Super League und seit 2018 die Spiele der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft.


2015 gründete er die „Beni Huggel bewegt GmbH“, um seine Erfahrungen aus dem Spitzensport in Trainings, Coachings und in Referaten weiterzugeben. Im Juni 2018 hat er dann den 12-monatigen Lehrgang CAS BWL an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten abgeschlossen. Seit 2017 ist er zudem im Verwaltungsrat der Praxisklinik Rennbahn AG in Muttenz BL.

Wir danken Beni Huggel für das Interview.