Nevin Galmarini ist Snowboard-Olympiasieger, Familienvater und Student. Im Interview verratet uns der Snowboardprofi, wie er sich die Zeit zwischen Vorlesungen und Wettkämpfen einteilt und welches die grössten Hürden der dualen Karriere sind.
Wie kamst du zu deinem Sport?
Mein drei Jahre älterer Bruder Arno hat mit dem Snowboarden begonnen. Er war immer mein Vorbild und ist einige Zeit Wettkämpfe gefahren. Dann hat er auf die andere Seite gewechselt und ist Konditionstrainer geworden. Wir haben viele Jahre zusammengearbeitet und bis heute verbindet uns sehr viel.
Was ist das bisherige Highlight deiner Sportkarriere?
Natürlich war der Gewinn der Goldmedaille an den letzten Olympischen Spielen in Pyeongchang 2018 das ganz grosse Highlight. Es ist das grösste, was man in meinem Sport erreichen kann. Der Weg dorthin hat 2014 an den Spielen in Sochi begonnen, wo ich Silber gewonnen habe. Ich bin rückblickend wirklich sehr stolz, dass ich danach das Ziel Gold nie aus den Augen verloren und es durchgezogen habe.
Wie schwierig ist es sich für die Spitzensportkarriere zu entscheiden und sich darauf zu fokussieren?
Ich hatte das Privileg sechs Jahre ein Sportgymnasium (Hochalpines Institut Ftan) zu besuchen. Dort konnte ich eine solide Ausbildung machen und gleichzeitig die Basis für eine Spitzensportkarriere legen. Die schwierigste Phase war dann aber in der Zeit nach dem Gymnasium und bevor ich Profi geworden bin. Da habe ich den gleichen Aufwand wie ein Profi betrieben und sogar noch höhere Kosten tragen müssen. Nebenbei habe ich gejobbt, um mir das leisten zu können. Ganz wenig Ferien, kein Luxus, dafür aber eine innere Befriedigung, wenn die Resultate langsam besser wurden. Das war schon eine harte Zeit. Ich habe mich nie beschwert, ich wollte diesen Weg unbedingt einschlagen und mich dieser Herausforderung stellen.
Wie bist du bei deiner Entscheidung für das richtige Studium vorgegangen?
Ich wollte ein naturwissenschaftliches Studium machen und habe tatsächlich ein Mathematik-Studium angefangen. Leider habe ich mich zu wenig über das Studienmodell informiert. Dieses war nämlich nicht kompatibel mit dem Spitzensport. Darum habe ich beim zweiten Anlauf stark darauf geachtet, dass ich ein Studienmodell auswähle, welches überhaupt machbar ist. Darum bin ich auf die Fernfachhochschule Schweiz FFHS gestossen, wo man zum grössten Teil zeit- und ortsunabhängig studieren kann.
Weshalb dieses Studium? Wie hast du dich darüber informiert?
Cool war, dass ich einige Kollegen aus dem Spitzensport hatte, welche ebenfalls an der FFHS studierten und mir von ihren Erfahrungen erzählen konnten. Dadurch konnte ich sicher sein, dass das, was auf dem Prospekt steht, auch wirklich so umgesetzt wird. Die Entscheidung auf das Fach Betriebsökonomie habe ich dann mit einem Blick auf die konkreten Module mehr oder weniger aus dem Bauch heraus gefällt.
Wie hat dein Sport die Studienwahl beeinflusst?
Mich hat der Sport maximal bei der Studienwahl beeinflusst. Ich habe meine Priorisierung für diese Lebensphase klar definiert: Der Sport kommt vor dem Studium. Das heisst: Entweder funktioniert beides nebeneinander, oder ich mache einen Kompromiss im Studium. Dazu ist es nie gekommen, denn ich konnte das Studium im vorgegebenen Tempo durchziehen. Beispielsweise bin ich kurz vor meinem Bachelor Olympiasieger geworden, dies nur als Beispiel, dass beides nebeneinander möglich ist. Das war aber nur dank dem Teilzeitmodell der FFHS möglich.
Wie bringt der Sport dich im Studium weiter und umgekehrt?
Ich glaube es hilft mir, dass ich im Studium intellektuell gefördert werde. Konkret glaube ich, dass ich mir im Sport besser Dinge merken kann und ich mich besser konzentrieren kann. Vielleicht ist es auch umgekehrt. Auf jeden Fall hilft mir die Erfahrung, in Drucksituationen meine Leistung abzurufen, auch für Prüfungen. Manche sind vielleicht etwas nervös – ich freue mich immer auf Prüfungen, weil ich weiss, dass ich dann wieder etwas abschliessen kann. Und zu guter Letzt hat mir das Ökonomiestudium viele Tools aufgezeigt, welche ich direkt in der Vermarktung von meiner Person anwenden konnte. Ich habe bis heute keinen Manager.
Abgesehen von Sport und Studium läuft noch vieles mehr in deinem Privatleben. Wie teilst du dir die Zeit ein?
Seit drei Jahren sind wir eine Familie und unsere Zwillinge halten uns natürlich auf Trab. Wir sind recht gut organisiert, so dass alle auf ihre Kosten kommen. Zum Beispiel hat meine Frau meinen Kalender abonniert und schickt mir Termineinladungen für Familientermine. Es braucht eine gewisse Flexibilität von allen Seiten (und eine tolle Frau dazu). Aber das wichtigste für uns ist, mit einer positiven Energie durchs Leben zu gehen.
Pflegst du den Austausch mit Athleten aus anderen Sportarten, die studieren?
Auf jeden Fall. Es kommt mir so vor, als würde uns alle etwas verbinden. Wir sind nämlich die, welche unterwegs ein Statistik-Buch lesen müssen oder eine Gruppenarbeit finalisieren. Wir haben alle die gleichen Sorgen, suchen in der Hotel-Lobby nach WLAN oder müssen von unseren Trainer/-innen genau wissen, wie die Planung aussieht, damit wir alles organisieren können. Der Austausch zwischen Athlet/-innen, welche studieren, ist deshalb sehr wertvoll.
Wenn du einmal bei einer berühmten Person in den Unterricht sitzen dürftest, wer wäre es?
Da ich gerade ein Philosophie Buch „Ohne heute gäbe es morgen kein gestern“ von Yves Bossart unterwegs auf meinen vielen Autofahrten als Hörbuch gehört habe, wäre es sehr cool bei Sokrates oder bei seinem Schüler Platon Platz zu nehmen. Ich hatte von Philosophie keine Ahnung und vielleicht hat mich deshalb das Buch wirklich gepackt. Jetzt habe ich zumindest einen kleinen Einblick in die Probleme der Philosophie und ich bin beeindruckt, wie die Denker aus der Antike diese angegangen sind. Ich glaube man könnte stundenlange, spannende Diskussionen über Moral oder Ethik führen.
Wir bedanken uns bei Nevin Galmarini für das Interview.
Bildquellen: Portrait – Christian Egelmair / Action – Swiss Snowboard.