«Bildung ist ein Mittel gegen Armut»

Thomas Minder ist Präsident des Verbands Schulleiterinnen und Schulleiter Schweiz (VSLCH). Im Interview spricht er mit uns über die Zukunft des Berufes, darüber wie die Digitalisierung die Beziehungsarbeit zu den Kindern positiv beeinflussen kann und wieso er jederzeit wieder Lehrer und Schulleiter werden würde.

Wie entwickelt sich der Beruf des Schulleiters/ der Schulleiterin in den nächsten 20 Jahren?

Der Beruf der Schulleitung ist noch jung. Er existiert in der Schweiz seit plus minus 20 Jahren auf der Volksschulstufe. Es ging in einer ersten Phase darum, eine Führungsperson zu haben, die einen fachlich fundierten Hintergrund hat. Die Tätigkeit der politischen Behörde sollte sich aus dem operativen Handeln zurückziehen. Nebst der Mitarbeiterführung sind viele administrative Arbeiten angefallen. Künftig dürfte es so sein, dass der Papierkram abnehmen wird, da vieles digital abgewickelt werden wird. Schulleitungen werden mehr zu Entwicklern der Schule und zu Ermöglichern. Sie sollen den Lehrpersonen eine professionelle Weiterentwicklung ermöglichen.

Was wird sich im Berufsalltag, auch diesem der Lehrpersonen, verändern?

«Der Fokus des Lernens wird sich auf die Softskills verlagern.»

Der Fokus des Lernens wird sich auf die Softskills verlagern. Vor 50 Jahren hat man im Gymnasium noch gelernt, wie man von Hand resp. schriftlich die Wurzel aus einer beliebigen Zahl ziehen kann. Heute akzeptiert man, dass das ein Taschenrechner übernimmt. So wird die reine Wissensvermittlung in den Hintergrund treten. Im Vordergrund stehen soziale Kompetenzen, musische Fähigkeiten und Kommunikationsfähigkeit.

Welche sind die grössten Herausforderungen, welche auf den Beruf zukommen? 

Bestimmt sind das die digitalen Hilfsmittel und Prozesse, die immer schneller Eingang finden in den Berufsalltag und damit verbundene Fragen vom verantwortungsbewussten Umgang. Es gilt auch den Schüler*innen diese Kompetenzen mit auf den Weg zu geben. Das bedeutet verantwortungsbewusstes Handeln im Umgang mit digitalen Medien.Bestimmt sind das die digitalen Hilfsmittel und Prozesse, die immer schneller Eingang finden in den Berufsalltag und damit verbundene Fragen vom verantwortungsbewussten Umgang. Es gilt auch den Schüler*innen diese Kompetenzen mit auf den Weg zu geben. Das bedeutet verantwortungsbewusstes Handeln im Umgang mit digitalen Medien.

Was wird die Digitalisierung in der Zukunft noch verändern?

Sie wir die Art und Weise der Zusammenarbeit verändern. Sie wird uns hoffentlich unangenehme bürokratische Aufgaben abnehmen, sodass wir die Ressourcen in die Beziehungsarbeit mit den Kindern und Jugendlichen investieren können.

Was können die Wirtschaft und die Politik machen, um beim Prozess der Veränderung zu unterstützen?

«Eine Schule ist kein IT-Unternehmen, wo man davon ausgehen kann, dass jede*r Mitarbeitende ein Computer-Crack ist.»

Dazu braucht es die notwendigen finanziellen Mittel für die Beschaffung einer geeigneten IT-Umgebung, aber insbesondere auch für das Coaching von Lehrpersonen. Eine Schule ist kein IT-Unternehmen, wo man davon ausgehen kann, dass jede*r Mitarbeitende ein Computer-Crack ist. Der pädagogisch sinnvolle Einsatz von IT ist anspruchsvoll und braucht Anleitung.

Wo sehen Sie Mängel oder Vorteile des Bildungssystems der Schweiz?

Der absolute Vorteil des Schweizer Bildungssystems ist nebst der guten Volksschule, die problemlos mit privaten Anbietern mithalten kann, der duale Weg in der Berufsbildung. Wenn unsere jungen Erwachsenen die Berufsbildung abgeschlossen haben, sind sie gut ausgebildete Fachleute. Es stehen ihnen aber auch die Türen für ein Studium offen. Das erreicht kein anderes mir bekanntes System.

Wie wichtig ist Bildung für Sie und weshalb?

Die Bildung ist äusserst wichtig. Bereits zur Zeit der Helvetik wurde erkannt, dass Bildung für alle Fortschritt bedeutet. Allerdings dauerte es noch einmal drei Jahrzehnte bis die Kantone um 1830 die Volksschule für obligatorisch erklärten. Bildung für alle ist ein Mittel gegen generelle Armut und sie ermöglicht uns Selbstbestimmung.

Wenn Sie nochmals von vorne beginnen könnten, was würden Sie studieren? Und weshalb?

«Es ist ein grosses Privileg, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung unterstützen zu dürfen.»

Ich würde wieder Lehrer werden (und dann Schulleiter). Die Gestaltung von Beziehung ist sehr spannend und es ist ein grosses Privileg,
Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung unterstützen zu dürfen.

Wenn Sie einmal bei einer berühmten Person in den Unterricht sitzen könnten, wer wäre es? Wieso inspiriert Sie diese Person?

Ich habe mir jetzt lange überlegt, welcher berühmten Person ich zuhören möchte. Vielleicht wäre das jemand wie Mohandas Ghandi (wegen seiner unaufgeregten Art) oder Elon Musk (wegen seiner Innovationskraft). Mich interessieren aber auch ganz gewöhnliche Menschen, die nicht im Rampenlicht stehen und doch etwas Interessantes zu erzählen haben – da lerne ich immer wieder dazu.

Wir danken Thomas Minder herzlich für das Beantworten der Fragen!