„Zu Hause bleiben“ klingt zunächst nicht schwer, denn nun hätte man endlich Zeit zum Lernen, Bingewatchen oder irgendetwas, was man „schon lange Mal tun wollte“. Doch die Einschränkung schlägt früher oder später aufs Gemüt. Tipps für die psychische Gesundheit gibt es von einem, der weiss, wie das geht: Der Astronaut Scott Joseph Kelly war 340 Tage am Stück auf der ISS.
Kelly war auf mehreren Expeditionen der NASA dabei und bringt es mit vier Expeditionen auf 520 Tage im All. Ganze 340 Tage am Stück absolvierte er bei der bisher einzigen One-Year-Expedition der NASA mit dem russischen Kosmonauten Mikhail Korniyenko. Er kennt das Gefühl zu gut, wenn sich die Tage immer mehr gleichen und die Umgebung gezwungenermaßen unverändert bleibt. Von ihm gibt es solide Tipps, die uns durch die Wochen helfen.
1. Macht euch Zeitpläne
Äussere Strukturen, wie Bibliotheken, Treffen und Seminare, fallen gerade aus. Jetzt heißt es, selbst strukturieren. Denkt nicht nur an Lernpläne, sondern fangt schon bei Aufstehen und dem Frühstück an. Das klingt auf Anhieb nicht so bequem, aber langfristig hilft es eine Menge.
2. Denkt an die Freizeit
Es ist tückisch, wenn Arbeit und Freizeit nur wenige Schritte voneinander entfernt sind. Vor dem Schlafen noch Mails prüfen, beim Essen zum Lehrbuch rennen. Kennt ihr das? Lasst es! Richtet euch regelmäßig freie Zeiten ein und haltet euch daran. Das ist umso wichtiger, weil wir nicht von ein paar Tagen direkt vor einer Prüfung sprechen, sondern von ein paar Wochen ohne externe Taktgeber.
3. Schlaf ist wichtig
Auch Schlafenszeiten sollten beibehalten werden. Die NASA überwacht die Bettruhe ihrer Astronauten und wies nach, dass die Schlafqualität Stimmung, Wahrnehmung und zwischenmenschliche Beziehungen beeinflusst. Und gerade letzteres ist wichtig, wenn ihr die kommenden Wochen nicht allein verbringt. Alles andere hilft euch 24/7, rund um die Uhr.
4. Geht zwischendurch raus
Nichts ist beruhigender als eine Stunde an der frischen Luft. Das funktioniert auch, wenn ihr euch mit niemandem treffen könnt oder zwei Meter Abstand haltet, wenn ihr Bekannten begegnet. Tut euch etwas Gutes für Herz und Hirn. Es gilt: Spazieren ist genauso passend wie Sport. Astronauten, die den Tipp definitiv nicht befolgen können, behelfen sich übrigens mit Naturgeräuschen und spielen Wellenrauschen, Waldgeräusche und Ähnliches ab, um eine Verbindung zur Natur zu erhalten. Haltet bitte einfach Abstand, wenn ihr andere Leute trefft oder an ihnen vorbeilauft.
5. Geht Hobbies nach
Wie gestaltet ihr die freie Zeit, die ihr euch in den Zeitplänen fixiert habt und der tägliche Spaziergang rum ist? Ihr braucht dafür definitiv Tätigkeiten, die weder mit dem Studium noch mit Hausarbeit zu tun haben. Wahrscheinlich habt ihr schon einige passende Hobbys wie Lesen oder Zeichnen, eine Kameraausrüstung oder DIY-Projekte. Jetzt bietet sich zudem die Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren. In eine neue Sprache schnuppern oder einen Blog beginnen?
6. Schreibt ein Tagebuch
Nein, das ist nicht altbacken. Tatsächlich ist es erwiesen (unter anderem von der NASA), dass tägliche handschriftliche Notizen entschleunigen und entspannen. Wir schaffen Distanz, vor allem zu belastenden Gedanken und entdecken neue Perspektiven. Schreiben kann Denkblockaden lösen und das Unterbewusstsein beruhigen — ein Geschenk in einer Zeit, in der das Unterbewusstsein wegen der ungewohnten und unsicheren Situation ziemlich aktiv ist. Wie das Tagebuch aussieht und sich entwickelt, ist eine individuelle Entscheidung. Es gibt bei dieser Empfehlung kein richtig oder falsch, also probiert es einfach aus und ein profanes Ringbuch reicht völlig.
7. Bleibt in Kontakt mit anderen
Mails sind immer nett, Telefonate und Videogespräche sicher noch besser: Bleibt mit der Familie und Freunden in Kontakt. Denn die Isolation drückt sonst auf die mentale und physische Gesundheit und nicht zuletzt auf das Immunsystem.
8. Informiert euch bei Experten
Die Informationskanäle quellen über mit Filmen, Grafiken, Texten, Zitaten und Longreads. Vor allem in den Sozialen Medien geben sich ungefiltert Privatleute, Forscher, Aluhutträger, Zeitungen und Politiker die Klinke in die Hand. Um echte Information von Schnellschüssen und Gerüchten zu isolieren, konzentriert euch auf die Kanäle der Fachleute und seriöser Medien. Das reduziert nicht nur die Nachrichtenfülle, es trägt zusätzlich sehr dazu bei, Unsicherheit zu senken. Hört denen zu, die tatsächlich Experten auf ihrem Gebiet sind. Das gilt nicht nur in Krisenzeiten, aber da ganz besonders.
«I’ve found that most problems aren’t rocket science, but when they are rocket science, you should ask a rocket scientist. Living in space taught me a lot about the importance of trusting the advice of people who knew more than I did about their subjects, whether it was science, engineering, medicine, or the design of the incredibly complex space station that was keeping me alive.»
Scott Joseph Kelly
9. Denkt an die Gemeinschaft
Vom Weltraum aus gesehen, kennt die Erde keine Grenzen, sagt Kelly. Wir sind miteinander verbunden und sollten auch so handeln, denn: Probleme bewältigt man am besten gemeinsam. Nachbarschaftshilfe ist eine Möglichkeit, Videos mit Tipps und Tricks produzieren eine andere. Künstler unterhalten die Nachbarn oder ein virtuelles Publikum mit ihrem Können und wieder andere spenden das Geld, das sie nicht mehr im Café ausgeben können. Einige bestellen nun bevorzugt bei kleinen, lokalen Händlern, die Lebensmittel und anderen Bedarf liefern und helfen damit zugleich, diese Infrastruktur zu erhalten. Was könnt ihr euch vorstellen?
10. Wascht euch die Hände!
Das ist selbsterklärend.
Fotos: NASA