Bei einer Diskussion, die sich mit der Qualität einer literarischen Übersetzung befasst, gehen die Themen weit über die sprachliche Expertise bei der Umwandlung hinaus. Der Grund dafür ist schlicht der, dass es sich bei Literatur um so viel mehr als nur die Informationsvermittlung handelt.

Übersetzen ist eine Kunstform, bei der es um feinste kulturelle Nuancen und einen individuellen Stil geht. Nicht jeder ist damit in der Lage, einen Text in eine andere Sprache zu übertragen und nicht jeder, der dazu zwar in der Lage wäre, darf Texte bestimmter Autoren übersetzen, da eine literarische Übersetzung immer auch an einen moralischen Kompass gebunden ist. Ein zertifiziertes Übersetzungsbüro ist hierfür oft nicht der ideale Ansprechpartner, da es sich vornehmlich mit der Übersetzung von Fachtexten befasst. Es kann aber hilfreich bei der Vermittlung von Literaturübersetzern sein.

Worte sind nur Bauteile

Bei einem technischen oder juristischen Text denkt kaum jemand über den sozialen Hintergrund der Übersetzer oder deren Geschlecht nach, denn es geht ausschließlich um die Präzision und um die Korrektheit der Übersetzung. Bei einer Übersetzung eines literarischen Texts braucht es eine wesentlich nuancierte Vorgehensweise, denn die Sprache ist gerade im literarischen Gebrauch in einen kulturellen Kontext eingebettet. Nur, wer mit Idiomen, Sprichwörtern, dem Soziolekt der handelnden Personen oder sogar deren Dialekt vertraut ist, ist in der Lage, eine Übersetzung anzufertigen, der es gelingt, die Kernaussagen an den Leser zu übermitteln.

Die Wörter sind in der Literatur das Baumaterial, aus dem sich ein Gewebe voller stilistischer Vielfalt und emotionaler Tiefe weben lässt. Literatur berührt, sie lädt zu einer Reise ein und die Sätze, denen das gelingt, sind nicht nur das Werk andauernder Verbesserungen und sprachlicher Finesse, sondern ein Produkt der Lebenserfahrungen eines Autors.

Wer qualifiziert sich für eine Übersetzung?

Eine klare Antwort, wer für die Übersetzung eines Texts geeignet ist oder nicht, kann pauschal nicht beantwortet werden, es muss immer im individuellen Fall entschieden werden. Formale, klar definierte Voraussetzungen gibt es nicht, selbstverständlich gibt es bestimme Fähigkeiten und Kenntnisse, die unabdingbar sind. Neben der sprachlichen Kompetenz bringen Übersetzer literarischer Werte eine enorme literarische Kompetenz mit. Das geht manchmal sogar so weit, dass die Übersetzer Hand in Hand mit den Autoren arbeiten, um die Feinheiten eines Texts bestmöglich übertragen zu können. Unabdingbar ist bei einer Übersetzung die kulturelle Kompetenz, denn nur mit dieser ist es möglich, die Motivation der Autoren und auch der handelnden Personen, etwa in einem Roman, zu verstehen.

Ein Faktor, wahrscheinlich der wichtigste, ist die Empathie der Übersetzer. Wer sich wahrlich in ein Werk und in dessen Kernaussagen hineinversetzt, der liefert eine Übersetzung, die weit über die technische Perfektion hinausgeht. Selbst, wenn sich Übersetzer aufgrund gewisser Schwierigkeiten bei der Übertragung bestimmter Freiheiten bedienen müssen, gehen so die Kernaussagen und der rote Faden des Texts nicht verloren. Nicht umsonst steht die Arbeit mancher Übersetzer auf Augenhöhe mit denen der Autoren. Wer etwa an die Meisterleistungen denkt, die eine Übersetzung des Ulysses von James Joyce ins Deutsche bedeutet, der versteht schnell, dass das tatsächliche Übersetzen nur ein kleiner Teil der großen Aufgabe ist, die das korrekte Übertragen eines Werkes in eine andere Sprache bedeutet.

Komplex, kulturell herausfordern und zeitintensiv – das ist eine literarische Übersetzung immer und welcher Literaturfreund hat sich bisher nicht mit dem Wert einer gelungenen Übersetzung auseinandergesetzt? Diese ist wahrlich Gold wert.